Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal
sagte Walter Hildebrandt, nachdem ich ihn angesprochen hatte. „Mark - ich werd’ verrückt.“
Er riß mich in seine Arme und hämmerte gerührt mit den Fäusten auf meinen Rücken ein.
„Mann!“ schnaufte er. „Du alter, lausiger Preuße - daß ich dich noch einmal wiedersehe! Was zum Teufel treibst du in diesem NobelMausoleum?“
„Urlaub!“ sagte ich.
Walter Hildebrandt schüttelte sich.
„Du bist verrückt!“ sagte er. „Ehrlich, du bist verrückt. Urlaub -hier? Ich würde ihn lieber mit nacktem Hintern auf einem Eisberg verbringen.“
Er war noch immer der alte: derb und herzhaft.
„Und du?“ fragte ich. „Was treibst du in Acapulco?“ Er verzog schmerzlich das Gesicht.
„Zwangsurlaub!“ sagte er. „Meine alte Dame wohnt hier - und irgendwer muß sich schließlich dann und wann um sie kümmern. Sie ist ohnehin schon nicht mehr ganz bei Trost.“ Seine Augen richteten sich fragend auf Ruth O’Hara. „Wer ist die Biene?“
„Meine Frau“, sagte ich.
„Mann!“ japste Walter Hildebrandt. „Dein Glück möchte ich haben!“
Ich machte ihn und Ruth miteinander bekannt, und dann gingen wir zu dritt auf einen Drink in die nächste Cafeteria. Walter Hildebrandt widerstrebte anfangs: er hatte noch einige wichtige Besorgungen zu erledigen. Schließlich beschloß er, die Hälfte dessen, was in seinem Mentor gespeichert war, kurzerhand wieder zu löschen.
„Also“, sagte Ruth, nachdem wir uns niedergelassen hatten, „und nun erzählen Sie!“
Walter Hildebrandt bekam rote Ohren.
„Was gibt’s da groß zu erzählen?“ brummte er verlegen. „Man schlägt sich so durch.“
Die Art, sich durchzuschlagen, bestand bei ihm darin, daß er für die Stella-TV tätig war - genauer gesagt: als deren Technischer Leiter. Er kommandierte das Zentralstudio auf dem Kap Hoorn an der Südspitze Patagoniens, wo sämtliche Aufzeichnungen und Programme zusammenliefen, bevor sie an die jeweils zuständigen Satelliten verteilt wurden.
„Und um dabei nicht ganz zu verblöden“, ergänzte er seinen Bericht, „fummele ich gelegentlich mit den diversen Aufnahmetechniken herum. Ihr habt ja keine Ahnung, was sich damit alles anstellen läßt!“ Ruth zeigte sich interessiert:
„Was zum Beispiel?“
Walter Hildebrandt hob abwehrend die Hände.
„Ach“, antwortete er, „das führt zu weit! Vielleicht, wenn Sie und Mark mich einmal besuchen -“
„Gern“, sagte Ruth rasch. Offenbar hatte sie Gefallen an meinem Freund gefunden. Mich wunderte das nicht. Meine Erinnerung und meine Zuneigung zu ihm waren über die Jahre hinweg ungetrübt.
Er überwand seine Schüchternheit.
„Wie wär’s mit heute nachmittag?“ schlug er vor. „Zum Tee?“
Ich wollte zusagen, doch Ruth war schneller:
„Ausgezeichnet! Wir werden kommen. Schon um uns zur Abwechslung einmal mit normalen Menschen zu unterhalten.“
Walter Hildebrandt nannte uns seine Adresse, und ich fütterte sie in meinen Mentor ein.
Bald darauf verabschiedete er sich. Ruth und ich blieben noch eine Weile in der Cafeteria sitzen, eingehüllt in die erfrischende Kühle eines imaginären Wasserfalls. In Wirklichkeit verbarg sich hinter den schäumenden Kaskaden die Klimaanlage. Ganz Acapulco war eine Illusion. Mit der Zeit mißtraute man sogar der Echtheit des Ozeans.
„Ein netter Kerl!“ sagte Ruth, während sie Walter Hildebrandt nachblickte.
„Ja“, bestätigte ich. „Und treu wie Gold.“
Ruth legte ihre Hand auf die meine und lächelte.
„Sonst“, sagte sie, „wäre er auch wohl kaum dein Freund.“
Es war die überzeugendste Liebeserklärung, die ich seit langer Zeit von ihr zu hören bekam. In ihr war alles enthalten, was uns verband: die Erinnerung an die unzähligen räumlichen und zeitlichen Trennungen, die uns stets nur noch fester zusammengeführt hatten. Auf einmal war ich mit diesem Urlaub fast versöhnt.
Das Haus war eine Villa aus dem vorigen Jahrhundert, festungsartig auf die Spitze eines Felsens gesetzt - und ich entsann mich bei diesem Anblick, daß Walter Hildebrandt schon als Junge von alten Häusern und ihren Geheimnissen geschwärmt hatte. Über drei Jahrzehnte hinweg war er seinem Geschmack treu geblieben.
Der Taxifahrer, der uns mit seinem klapprigen Dingo - teils über Land, teils über See - bis zum Fuß des Felsens gebracht hatte, streikte: „Da noch hinauf?“
„Da noch hinauf!“ sagte Ruth fest.
Der Taxifahrer schnalzte bedauernd mit der Zunge. „Das schafft die alte Kiste nie!“ stellte er
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