Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange

Titel: Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
Vom Netzwerk:
leisten, für die Dauer von ein paar Stunden stumm und taub zu sein. Man konnte mir nichts vorwerfen. Ich hatte nichts unversucht gelassen. Ich hatte mit Las Lunas verhandelt, mit den Behörden der EAAU und – auf Umwegen – mit denen der VOR. An den sterblichen Überresten des alten Mannes war keine der angesprochenen Instanzen interessiert, niemand wollte sie haben.
    Es war wie so oft: hinter all diesen Bürokraten standen triftige Gründe. An Gründen fehlte es ihnen nie, dafür nur zu oft an schlichter Menschlichkeit. 
    Captess Kato hatte die Fahrt aus dem Schiff genommen, das Triebwerk gestoppt und mir die Henri Dunant klar zum Manöver gemeldet. Das war vor ein paar Minuten gewesen. Ich vertrödelte mich. Das Licht, das mich aus der Unendlichkeit erreichte, war kalt und ernst von den zurückgelegten Lichtjahren. Es legte sich auf die Haut meiner Hände und machte sie weiß. Ich seufzte und wandte mich ab.
    Die UGzRR stand weiß Gott unter einem schlechten Stern. Von Captain Romen und seinen Männern fehlte jede Spur. Und ich, der ich tagelang vergebens den Himmel nach ihnen abgesucht hatte, gab auf. Bevor ich die Henri Dunant endgültig auf Heimatkurs legte, blieb mir nur noch übrig, Professor Shivagi Deschehen die letzte Ehre zu erweisen.
    Ich überprüfte den Sitz der Krawatte, setzte die Mütze auf und nickte Captess Kato zu: »Gehen wir!«
    Die Vorarbeit war getan. Von mir wurde allenfalls erwartet, daß ich in meiner Eigenschaft als Kommandant ein paar passende Worte sprach, bevor das Katapult den alten Mann in die Ewigkeit entließ. Bei unserem Erscheinen nahmen die Lieutenants Haltung an. Mein Blick wanderte über ernste Gesichter. Die Bewegtheit der Männer, spürte ich, war echt. Wie man es auch nahm: Shivagi Deschehen, der Professor, der Guru, war unser Passagier gewesen.
    Lieutenant Stroganow übernahm die Meldung. »Alles bereit, Sir. Etwas Besseres als ein Aluminiumsack hat sich leider nicht auftreiben lassen.«
    Ich dachte an den alten Mann, wie ich ihn kennengelernt hatte. Stets war er die Bescheidenheit in Person gewesen. Gewiß war er auch mit einem Aluminiumsack einverstanden.
    Es mußte sein. 
    Ich nickte: »Katapult klar!«
    Lieutenant Xuma legte den Hebel um, und der Zeiger des Manometers begann zu klettern. 
    »Katapult klar, Sir.«
    Ich faltete die Hände.
    »Wir wollen Abschied nehmen. Er war keiner von uns. Wenn ihm hier einer nahestand, dann allenfalls Captess Kato. Von ihr stammt der Spruch, den ich dem alten Mann mit auf die letzte Reise gebe. Er lautet: Wo alles aufhört, fängt alles an! …«
    Ich straffte mich, gab Lieutenant Xuma mit einem Senken der Augen zu verstehen, daß er auslösen sollte, und legte die Hand an die Mütze. Die Preßluft tat ihre Schuldigkeit.
    Meine Hand fiel herab. Ich wandte mich rasch ab und kehrte auf die Brücke zurück. 
    Erneut stellte ich mich auf die Dunkelseite: diesmal, um den Anblick des Aluminiumsacks nicht ertragen zu müssen, der eine halbe Kabellänge von der Henri Dunant seine endlose Wanderschaft aufnahm. Ich fühlte mich dem nicht gewachsen. Nur nach außen hin war und blieb ich der unverwüstliche Commander: sachlich, kühl, durch nichts aus der Beherrschung zu bringen. In Wirklichkeit war ich physisch erschöpft. Ich war bis in die Fasern meiner Seele müde von viel zu viel ertragener Einsamkeit unter gleichgültigen Sternen. Die Trauer um Captain Romen und seine Besatzung machte mich krank.
    Auf meinen Händen lag das kalte, strenge Licht, das mich vom Perseus her erreichte, und machte sie weiß.
    Der Lautsprecher schepperte und riß mich aus meiner wehmütigen Betrachtung. Captess Kato verlangte nach mir. 
    »Sir …«
    Ich drückte die Taste. »Ich höre, Captess.«
    »Sir, da gibt es etwas, was Sie sich ansehen sollten …«
    Ich wurde in der Reservekammer verlangt, in der der Guru seine letzten Stunden verbracht hatte. Dort waren sie alle versammelt. Die Kammer war bereits aufgeräumt und desinfiziert. Ich sah mich um.
    »Hier, Sir!«
    Lieutenant Stroganow wies auf einen tiefen Kratzer im Wandanstrich. Die weiße Farbe war noch verhältnismäßig weich. Ein Fingernagel reichte, um sie zu beschädigen. Ich starrte auf eine geschlängelte Linie.
    »Eine Schlange, Sir«, sagte Lieutenant Stroganow. »Ich nehme an, er hat es als Hinweis gemeint. Hat er nie etwas in der Art zu Ihnen gesagt?«
    Mein Blick richtete sich auf das Bett, in dem der alte Mann gestorben war, und auf einmal wußte ich, was er mir hatte sagen wollen,

Weitere Kostenlose Bücher