Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange
bevor der Tod ihm die Lippen versiegelte. Es war nicht ›Schlange‹ gewesen; so sehr konnte ich mich nicht verhört haben. Es war aber auch nicht ›Sir‹ gewesen, wie ich angenommen hatte. Es war eindeutig die erste Silbe des lateinischen Wortes für Schlange gewesen: Ser …
Es war ein Taschenspielertrick. Ihm nachzugehen, hieß sich der Lächerlichkeit auszuliefern. Ich mußte daran denken, daß auch der Pegel des Backbordtanks bedenklich gesunken war.
Ich sagte: »Ich benötige alles Wissenswerte zum Stichwort Serpens, Lieutenant.«
15.
Grischa Romen, Captain (VEGA),
Commander Raumrettungskreuzer Florence Nightingale
Aufgezeichnet nach persönlichem Bericht
Es wird berichtet von einem König in der Welt der Antike, der an seinem eigenen Sieg zugrunde ging. Der Name des Königs ist Pyrrhus. Und zu einem Pyrrhussieg drohte auch die Situation auf der Vendetta zu werden.
Daß man einen Sieg errungen hatte – daran war nicht zu rütteln. Die Daten waren eindeutig.
Ahmed Khan, die treibende Kraft, existierte nicht mehr.
Der Erste Steuermann, bekannt unter dem Namen Fiorentino, war tot: ein Opfer der elektronischen Mauer.
Der Chief Agent Wang Fu fürchtete offenbar das zu seinen Ungunsten veränderte Kräfteverhältnis und hielt sich verborgen.
Der Rest der Besatzung befand sich im Dingi und stellte, da dem Dingi die Landung verwehrt war, keine Gefahr dar.
Das waren die vier Tatsachen auf der Habenseite des errungenen Sieges.
Daneben gab es die Soll-Seite, und hier war zumindest der Punkt Nr. 1 bereits geklärt. Das Feuer, das im Labyrinth des Versorgungsschachtes ausgebrochen war, breitete sich aus. Die Räume füllen sich mit Hitze und beißendem Rauch. Das zweite Wettrennen mit der Zeit hatte längst begonnen.
Zunächst ging es darum, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Fulgor -Piloten durchstöberten das Schiff nach eventuell vorhandenen Handfeuerlöschern. Die Lieutenants überprüften die Stationen RC, FK, TU und Kartenhaus. Captain Romen selbst sah sich zusammen mit Lieutenant Prado beim Schein einer Handlampe im Cockpit um. Das Ergebnis der Untersuchung war vernichtend: Ohne einen rigorosen Umbau der gesamten elektronischen, elektrischen und mechanischen Einrichtungen war an eine Inbetriebnahme der zur Schiffsführung benötigten Systeme nicht zu denken. Damit, daß man im Cockpit das Spinnennetz der Kabel und Drähte beseitigte, war nichts gewonnen.
Lieutenant Prado schüttelte beklommen den Kopf.
»Sir, wenn Sie mich fragen – hier ist nichts zu wollen. Die ganze Anlage ist Ahmed Khan auf den Leib zugeschnitten.« Er berichtigte sich. »Leib ist vielleicht etwas übertrieben, Sir.«
Leib oder nicht –: die Spinne im Netz, das Gehirn in der Glasglocke, war das zentrale Bedienungselement gewesen, das nun fehlte. Die Lieutenants trafen ein. Auch sie kehrten mit leeren Händen zurück. Alle überprüften Stationen hatten sich als unselbständige Ableger des zentralen Bedienungselementes herausgestellt, und den wenigen eigenverantwortlichen Apparaturen, mit denen sie ausgestattet waren, fehlte der Strom. Man stand vor einer bitteren Erkenntnis.
Captain Romen faßte sie in Worte: »Gentlemen, es scheint, daß wir ganz mächtig in der Patsche stecken. Ich sehe keine Möglichkeit, die Vendetta in Betrieb zu nehmen. Oder, Lieutenant Torrente?«
Lieutenant Torrente konnte das nur bestätigen. Auch er, der gelernte Bordingenieur, sah keinen Ausweg. Mit Bordmitteln ließ sich das Dilemma nicht beheben. Um die Vendetta nach Ahmed Khans Ausfall flugklar zu machen, mußte man sie mehr oder minder auseinanderreißen.
»Im übrigen, Sir«, fügte Lieutenant Torrente hinzu, »würden wir ohnehin nicht weit kommen. Das Feuer wird uns den Garaus machen.«
Und um den Pyrrhussieg zu vervollständigen, kehrten auch Albrecht und Piersanti unverrichteter Dinge zurück. Der Brand konnte nicht gelöscht werden.
Hitze und Qualm machten einen längeren Aufenthalt auf der Brücke unmöglich.
»Ich schlage vor«, sagte Captain Romen, »wir sehen uns nach einem kühleren Plätzchen um. Angeblich ist im ehemaligen Hospital die Ventilation noch in Ordnung.«
Bevor er seinen Männern folgte, bückte er sich und hob die Stradivari auf.
Die Geschichte des Verkehrswesens ist voll von Berichten über brennende Schiffe oder auch, sofern man das 20. Jahrhundert betrachtet, von brennenden Flugzeugen. An schrecklichen Katastrophen hat es niemals gefehlt. Sie alle werden übertroffen von einem Schiffsbrand unter
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