Weltraumpartisanen 28: Metropolis-Konvoi
gleich rüber.«
Ruth machte sich auf den Weg.
Zu ihrem Erstaunen war Harris nicht allein. Dr. Hudson, der rotblonde kalifornische Arzt, war bei ihm. Das Lächeln, mit dem er sie begrüßte, sollte freudig sein. Es wirkte lediglich müde. Dr. Hudson sah aus, als hätte er schon lange kein Bett mehr gesehen.
Und ich, dachte Ruth, sehe ich besser aus?
Sie schloß die Tür, und Harris kam, wie es seine Art war, ohne Umschweife zur Sache.
Mit wirksamen Maßnahmen der Regierung, sagte er, sei nicht mehr zu rechnen. Deswegen hätte er, Harris, nunmehr die Initiative ergriffen, um mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wenigstens eine Teilevakuierung vorzunehmen.
»Ich denke da vor allem an die Kinder.« Harris’ Stimme klang brüchig. Man sah ihm plötzlich sein Alter an. Zum ersten Mal, seitdem Ruth ihn kannte, wirkte er gebrechlich. »Kurz und gut, ich habe Order gegeben, alles für einen Mutter-und-Kind-Transport vorzubereiten.«
Ruth setzte sich. Hudson reichte ihr einen Becher. Das Zeug darin hatte mit Kaffee nur noch die Bezeichnung gemein, aber wenigstens war es warm.
Ruth zwang sich zur Aufmerksamkeit.
»Und wohin, Sir, sollen die Kinder geschafft werden?«
Harris’ Daumen zielte aufwärts.
»Las Lunas.«
»Auf das Gelände der UGzRR, Sir?«
»Das reicht nicht aus. Aber in Las Lunas stehen die Hotels leer.«
Ruth wollte es nicht glauben; es klang zu einfach.
»Und was sagt dazu Pietro Anastasia?«
Harris machte eine kennzeichnende Geste.
»Er kassiert. Für ihn ist es das Geschäft. Captain Bell hat mit ihm verhandelt – in meinem Auftrag.«
Ruth O’Hara war Realistin.
»Und wer soll das bezahlen, Sir?«
Sie ahnte die Antwort, bevor Harris es aussprach. Der große alte Mann verpfändete dem halbseidenen Spielerkönig in der Mondmetropole die VEGA.
»Ich habe Kassensturz machen lassen. Die Hälfte bekommt Pietro Anastasia sofort und in bar, über die andere Hälfte stelle ich ihm einen Schuldschein aus. Wir mieten die Hotels zunächst für einen Monat.«
Ruth schwieg. Harris hatte keine Zahlen genannt, aber es war klar, daß der Regierende Bürgermeister von Las Lunas die Situation schamlos ausnutzte: ein Parasit, der nur deshalb hatte groß werden können, weil der Mond herrenloses Gebiet war, neutrales Niemandsland zwischen den beiden großen Machtblöcken, die sich auf der Erde gebildet hatten. Nur im Schatten des Kalten Krieges hatte sich eine Sumpfblüte bilden können wie Las Lunas, das Paradies der Spieler und Lebedamen, der Abenteurer und Glücksritter, der Zufluchtsort der Ganoven. Im Reich Pietro Anastasias war der übelste Muttermörder willkommen – sofern er nicht mit leeren Taschen kam.
Ruth zuckte zusammen. Einer der Schreibtischmonitoren summte. Harris schwang auf seinem Sessel herum.
»Die Antwort der Flugbereitschaft«, sagte er. »Wir verfügen, wenn wir alles einsetzen, was fliegt, über eine Kapazität von 6874 Plätzen.« Sein Blick kehrte zu Ruth O’Hara zurück. »Ich möchte, daß Sie mit Ihrer Abteilung die Organisation in die Hand nehmen.«
Nicht einmal siebentausend Plätze. Ruth fühlte sich elend. Sie starrte aus dem Fenster: dorthin, wo Millionen Menschen verurteilt waren zum qualvollen Hungertod. Nicht einmal siebentausend Plätze – weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein!
Harris räusperte sich.
»Kinder bis zu drei Jahren. Dazu die Mütter. Wählen Sie die dringendsten Fälle aus. Ein Ärzteteam unter Dr. Hudson wird Ihnen zur Seite stehen.«
Ruth blieb stumm.
Ihr schauderte. Die Aufgabe, die Harris ihr auferlegte, ging über ihre Kraft. Was sollte sie denen sagen, die zurückbleiben mußten? Mit welchem Recht sollte sie das Urteil sprechen: Du lebe! Und du stirb! …? Sechstausendachthundertvierundsiebzig Plätze waren zu wenig. Harris mußte das einsehen.
Hudson legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Besser das als nichts«, sagte er. »Wir sollten uns an die Arbeit machen.«
Ruth stand langsam auf.
»Ja«, antwortete sie, »ja, Sie haben wohl recht.«
Draußen hatte das schmutzige Zwielicht plötzlich konvulsivische Zuckungen bekommen. Ruth fühlte sich an den Bürgerkrieg erinnert. Laserwaffen warfen ihre Reflexe über das Gelände. Harris wiegte den Kopf.
»Jacksons Männer verteidigen das Südtor«, sagte er. »Wir dürfen uns nicht überrennen lassen.«
8.
12.12.
Am Nachmittag überschritt der Metropolis-Konvoi, um mit Caesar zu reden, den Rubikon. In diesem Fall war das der Punkt, an dem die Eskorte, die uns seit dem
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