Weltraumpartisanen 28: Metropolis-Konvoi
schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht einmal seinen Namen. Ich habe ihn gefunden. Kann ich ihn sehen?«
Die Hortmutter öffnete die Tür, und der säuerliche Geruch wurde stärker.
Der kleine Bursche lag mit blicklos geöffneten Augen auf der Matratze. Sein Bauch war prall wie eine Melone.
Ruth schluckte. Gott im Himmel, betete sie, haben uns denn alle vergessen?
Sie wandte sich ab und stürzte hinaus.
Wußte Harris überhaupt noch, was auf seinem Gelände geschah?
Ruth stellte das Mobil ab, wies sich aus und bestieg den Lift.
Ihr Weg führte an den Büroräumen vorüber, die sie auf Harris’ Geheiß Dr. Mildrich und dessen Stab zur Verfügung hatte stellen müssen. Die Türen standen offen, die Räume selbst waren leer. Verstreutes Gepäck zeugte von überstürztem Aufbruch.
Ruth trat ein.
Der LT-Geber tickte noch, davor lag ein gefülltes Magazin. Ruth öffnete es.
Empfänger des Telegramms war Pietro Anastasia in Las Lunas. Der Text lautete: »Reservieren Sie Präsidentensuite im Grand Hotel. Zahle in Gold.« – Und gezeichnet war das Telegramm mit: »Dr. Egon Mildrich, amt. Präs. EAAU.«
»Er ist mit dem LT nicht durchgekommen. Ich hätte es ihm sagen können, aber er wußte ja alles besser. Auf jeden Fall hat er dann eins von unseren Schiffen beschlagnahmt und ist gestartet.«
Ruth wandte sich um. Harris hatte das Büro betreten, ohne daß sie es bemerkt hatte. Ruth erschrak. Die letzten Stunden hatten ihm den Rest gegeben. Seit sie ihn kannte, hatte sie seine Stärke und Unbeugsamkeit bewundert. Nun war er nur noch ein alter, müder Mann. Sie sah ihm die Anstrengung an, als er langsam hinüberschritt zum Sessel vor dem Schreibtisch, um darin Platz zu nehmen.
»Entschuldigen Sie, Ruth«, murmelte er. Mit einer mechanischen Bewegung stellte Ruth den LT-Geber ab.
»Dr. Mildrich hat sich also aus dem Staub gemacht?«
Harris’ Sarkasmus brach durch.
»Im wahrsten Sinn des Wortes. Er hat sich aus dem Staub gemacht.«
Ruth erinnerte sich an ein startendes Schiff. Dr. Mildrich, daran zweifelte sie nicht, würde dem Regierenden Bürgermeister von Las Lunas willkommen sein, zumal er gewiß nicht mit leeren Händen kam.
Angewidert warf Ruth O’Hara das Telegramm in den Papierkorb. Ihre Verzweiflung entlud sich.
»Ja, um Himmels willen, Sir, um was kämpfen wir überhaupt noch?«
Harris machte eine matte Bewegung.
»Um den Platz, Ruth. Nur noch um den Platz.«
Ruth sah ihn verständnislos an.
»Und warum, Sir?«
Harris’ Daumen zielte nach oben.
»Für einen Konvoi vom Mars, Ruth.«
»Ein Konvoi, Sir?«
»Mit Nahrungskonzentrat für Metropolis. Ich mußte es geheimhalten.«
Ruth atmete schwer. Sie wußte nicht, ob sie vor Glück weinen sollte oder lachen. Hilfe war auf dem Weg. Nun mußte sich alles wenden.
»Und wann, Sir, trifft der Konvoi ein?«
Harris’ Blick ließ ihre Hoffnung zerplatzen wie eine Seifenblase.
»Eigentlich hätte Commander Danilow mit seinen Schiffen schon längst hier sein müssen.«
Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein. In dieser Welt geschahen keine Wunder. Jemand sagte: »Der Konvoi ist also überfällig?«, und erst im nachhinein begriff Ruth, daß sie selbst die Fragende gewesen war.
»Ja«, sagte Harris. Er schwieg. Irgendwann fügte er hinzu: »Aber falls er doch noch kommt, benötigt er diesen Platz. In ganz Metropolis sind wir die letzte Ordnungsmacht.«
Draußen war es still geworden. Ruth trat ans Fenster.
Über dem Rampengelände lag Ruhe: die Ruhe der Erschöpfung. Die Stunde war angebrochen, in der es nur noch Besiegte gab. Drei, vier Tage. Das galt für den namenlosen kleinen Burschen. Das galt auch für die ganze riesige Stadt.
»Sir!«
Ruth bekam keine Antwort. Harris hatte den Kopf auf die Platte des Schreibtisches sinken lassen.
Ruth setzte sich auf den Fußboden. Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie.
14.
23.12.
Im RC gab es, um mit Lieutenant O’Brien zu sprechen, »volles Programm«.
Mein Blick pendelte zwischen den Anzeigen hin und her.
Die gestreckte Leuchtspur auf der Uranus-Erde-Achse kennzeichnete den Konvoi. Die Fridtjof Nansen führte. Danach folgten, gewissermaßen im Gänsemarsch, die Najade und drei von den Frachtern. Drei Schiffe mit dem Johanniterkreuz schlossen sich an. Hinter ihnen flogen noch einmal drei Frachter, vorangetrieben durch die Mahatma Gandhi und Elsa Brandstroem. Der Schluß des Geleits ließ sich auch mit bloßem Auge ausmachen. Er bestand aus den Frachtern Serena und Pampero. Letztere flog
Weitere Kostenlose Bücher