Weltraumzirkus d'Alembert - 1-5 - Die Geheim-Agenten des Imperiums
war gedrückt. Sogar die Männer, die am Tumult des Vortages nicht beteiligt gewesen waren, gingen auf Zehenspitzen, aus Befürchtung, den Zündstoff zur Explosion zu bringen, der, wie sie wußten, im Inneren der Beteiligten noch immer vorhanden war.
Vergrößert wurde das Problem noch durch die Tatsache, daß die Mannschaft heute mit weniger Personen auskommen mußte. Brownsend war nicht zur Arbeit erschienen, und ein von Fizcono getätigter Anruf in dessen Quartier brachte kein Ergebnis. »Vielleicht leckt er seine Wunden«, sagte der große Mann. »Gestern bei Arbeitsschluß sah er gar nicht gut aus. Aber morgen muß er da sein, sonst wird er gefeuert. Drückeberger dulde ich hier nicht.«
Rask lief mit düsterer Miene umher, ließ aber während des Umkleidens nur ein paar böse Worte laut werden. Es war offenbar, daß er sich ungerecht bestraft fühlte – schließlich hatten die Chandakhari als erste angegriffen. Er hatte nur seinen Freund schützen wollen, und dafür hatte man ihm einen Wochenlohn gestrichen! Diese Ungerechtigkeit lastete schwer auf seinem Gemüt.
Die Chandakhari wiederum waren noch abweisender, noch verschlossener und sonderten sich noch mehr von den anderen Arbeitern ab. Der junge Mann, der eigentlich den Streit begonnen hatte – er hieß Radapur, wie Jules inzwischen eingefallen war -, hielt sich abseits und warf Rask hohnvolle und haßerfüllte Blicke zu.
Jules war am schlimmsten dran, weil niemand so recht wußte, auf wessen Seite er in dieser Angelegenheit stand. Während des Kampfes war er beiden Seiten zu Hilfe gekommen und hatte sich damit von beiden Feindseligkeit eingehandelt. Niemand traute dem Neuankömmling, und so blieb er für den ganzen Tag ein Verfemter.
Was ihn betraf, so berührte es ihn nicht, denn er hatte viel zu überlegen. Gestern war er nach Arbeitsschluß noch ausgegangen und hatte einige Barlokale in den mehr obskuren Vierteln der unterirdischen Stadt besucht. An dem einen Abend hatte er natürlich nicht alle abklappern können. Die › Vesa‹ genannte Niederlassung bestand aus vielen tausend Quadratkilometern Kavernen und Gängen, und mit wachsendem Wohlstand kamen immer mehr dazu. Obwohl er also nur einen kleinen Teil des Lebens hier kennengelernt hatte, formte sich allmählich ein Bild, das ihn sehr überraschte.
Vesas skandalträchtiger Ruf war in der gesamten Galaxis verbreitet. Der Mond galt als Glückshafen der Spieler, als Welt der Unausgeglichenheit und Gegensätze, in der für Geld einfach alles zu haben war. Demzufolge hatte Jules erwartet, daß auch das Privatleben auf Vesa lasziv und ungezügelt sein würde. Er mußte jedoch das Gegenteil feststellen. Die ständigen Einwohner Vesas waren im großen und ganzen sehr solide Bürger. Die Handvoll Bars, die er besucht hatte, waren ordentlich und ruhig, mit wenig Radau und grundlosen Streitereien. Es gab zwar die üblichen Betrunkenen und Dyevkas, wie man die Dirnen nannte -aber deren Leben schien sich abseits der übrigen Bevölkerung abzuspielen.
Jules fand wenig Anzeichen von ungezügelter Gier nach raschem Gelderwerb oder gröberen Formen der Korruption, ganz zu schweigen von einer Verschwörung so großen Umfangs, wie es die organisierte Ermordung von Touristen sein mußte. Wie konnte man einem so ruhigen und zivilisiertem Volk an diesen Verbrechen, die nach all den vorliegenden Beweisen tatsächlich verübt worden waren, die Schuld geben?
Andererseits gab es da den faszinierenden Kampfstil, zu dem sich die gestrige Schlägerei entwickelt hatte. Diese Chandakhari hatten wie eine gut aufeinander eingespielte Kampfeinheit agiert. Als der Wirbel anfing, hatte jeder genau gewußt, an welcher Stelle er zu stehen und was er zu tun hatte. Das war von einer Schar von Bauern oder Dockarbeitern, die sich vielleicht in irgendwelchen Bars auf Schlägereien einließen, nicht zu erwarten. Die militärische Präzision, mit der sie bei ihrer Aktion vorgegangen waren, war furchteinflößend. Jules zog daraus den Schluß, daß diese Chandakhari einer näheren Betrachtung wert waren.
Der erste Teil des Arbeitstages verging ereignislos, obgleich die Spannung innerhalb der Arbeitsgruppe zum Schneiden dick war. Kurz nach der Mittagspause kam es jedoch zu einer kleinen Entladung. Der Kranführer, ein Chandakhar, war eben dabei, mit dem Kran eine Last aus dem Schiff auf den Tieflader zu heben. Rasks Aufgabe war es nun, den Raum für die Ladung freizumachen und diese an die richtige Stelle zu dirigieren, während
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