Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
ihn miteinander herausholen.«
 Er schlug sich den Kopf an, als er in das Panzerauto kletterte, es gab eine kleine Rißwunde über dem einen Auge, und das Blut rann ihm über die Wange. Der Tote war schwer und so steif, daß man ihn nicht biegen konnte, und er mußte auf seinen Kopf loshämmern, um ihn zwischen dem Sitz und dem Steuer hervorzukriegen, wo er sich mit dem Gesicht nach unten festgeklemmt hatte. Schließlich brachte er's zustande, indem er das Knie unter den Kopf des Toten stemmte, und nun, da der Kopf frei war, konnte er ihn bei den Hüften zur Türe hinzerren.
 »Hilf mir!« sagte er zu dem Fahrer.
 »Ich will ihn nicht anrühren«, sagte der Fahrer, und Robert Jordan sah, daß ihm die Tränen herunterliefen. Zu beiden Seiten der Nase liefen ihm die Tränen über das pulvergeschwärzte Gesicht, und die Nase lief ihm auch.
 Robert Jordan stellte sich neben die Tür und zerrte mit einem heftigen Ruck den Toten heraus, und der Tote fiel aufs Trottoir neben dem Straßenbahngleis, immer noch in derselben gebückten, gleichsam zusammengeklappten Haltung. Da lag er, das Gesicht ein wächsernes Grau, auf dem Zementpflaster, die Hände unter dem Körper verkrümmt, genauso wie zuvor im Wagen. »Hinein mit dir, Gott verdamm mich!« sagte Robert Jordan zu dem Fahrer und deutete mit der Pistole auf den Wagenschlag. »Steig ein!«
 Und gerade da kam jener Mann aus dem Schutz des Hauses hervor. Er trug einen langen Mantel, war ohne Hut, hatte graue Haare, breite Backenknochen und dicht beisammenstehende, tiefliegende Augen. In der Hand hielt er ein Päckchen Chesterfield, und er nahm eine Zigarette heraus und reichte sie Robert Jordan, der soeben mit seiner Pistole den Chauffeur in das Panzerauto jagte.
 »Einen Augenblick, Genosse!« sagte er auf spanisch zu Robert Jordan. »Können Sie mir eine Sache erklären?«
 Robert Jordan nahm die Zigarette und steckte sie in die Brusttasche seiner blauen Mechanikerbluse. Er hatte diesen Genossen nach seinen Bildern erkannt. Es war der britische Nationalökonom.
 »Scher dich zum Teufel!« sagte er auf englisch, und dann auf spanisch zu dem Fahrer des Panzerautos: »Dort hinüber! Zur Arena! Verstanden?«
 Und er knallte die schwere Seitentür zu und sperrte ab, und sie fuhren die lange Steigung hinunter, und die Kugeln prasselten gegen das Auto, es klang, wie wenn man Kieselsteine gegen einen eisernen Kessel wirft. Dann, als das Maschinengewehr sie zu beschießen begann, klang es wie scharfe Hammerschläge. Sie hielten im Schutz der Stierkampfarena, neben der Billettluke klebten noch die Plakate vom vergangenen Oktober, die Munitionskisten standen geöffnet da, und hinter die Mauer geduckt warteten die Genossen mit ihren Gewehren, Handgranaten am Gürtel und in den Taschen, warteten, und Montero sagte: »Gut. Das ist der Tank. Jetzt können wir angreifen.« Später, nachts, nachdem sie die letzten Häuser auf dem Hügel genommen hatten, lag er bequem hinter einer Ziegelmauer, ein Loch in den Ziegeln diente ihm als Schießscharte, er blickte über das schöne flache Schußfeld, das zwischen ihnen und der Kuppe lag, hinter die die Faschisten sich zurückgezogen hatten, und mit einem fast wollüstigen Wohlbehagen dachte er an den steilen Hang mit der zerschossenen Villa, der die linke Flanke schützte. Er hatte sich mit seinen durchschwitzten Kleidern in einen Haufen Stroh gelegt und sich in eine Decke eingewickelt, während die Kleider trockneten. Wie er so dalag, mußte er an den Nationalökonomen denken, und er lachte, und dann tat es ihm leid, daß er so unhöflich gewesen war. Aber in dem Augenblick, da der Mann ihm die Zigarette reichte, so demonstrativ, fast als ob er ihm ein Trinkgeld für eine Auskunft anbieten wollte, war der Haß des Kombattanten gegen den Nicht-Kombattanten in ihm zu stark geworden.
 Jetzt erinnerte er sich wieder an das Gaylord, und wie Karkow sich über diesen selben Mann geäußert hatte. »Dort also haben Sie ihn getroffen«, hatte Karkow gesagt. »Ich selbst bin an diesem Tag nicht weiter gekommen als bis zum Puente de Toledo. Er war ja ziemlich weit vorn. Ich glaube aber, daß das seine letzte Heldentat war. Am darauffolgenden Tag ist er von Madrid abgereist. Aber in Toledo, dort hat er sich wohl am heldenhaftesten benommen. In Toledo war er enorm. Er war einer der Schöpfer unseres Sturms auf den Alcázar. In Toledo hätten Sie ihn sehen müssen! Ich glaube, wir hatten es vor allem seinen Bemühungen und seinen Ratschlägen zu

Weitere Kostenlose Bücher