Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
sein wie dieses Spanien. Dann dürfen Sie auch nicht vergessen, daß Sie jetzt schon seit fast neun Monaten nicht mehr unterrichten. In neun Monaten könnten Sie einen neuen Beruf gelernt haben. Haben Sie etwas über dialektischen Materialismus gelesen?«
 »Nur das von Emil Burns herausgegebene ›Handbuch des Marxismus‹. Sonst nichts.«
 »Wenn Sie es ganz ausgelesen haben, ist das immerhin etwas. Fünfzehnhundert Seiten. Und mit jeder Seite kann man sich ein Weilchen beschäftigen. Aber es gibt noch andere Dinge, die Sie lesen sollten.«
 »Jetzt hat man keine Zeit zum Lesen.«
 »Ich weiß«, sagte Karkow. »Ich meine, nach und nach. Es gibt allerlei Bücher, nach deren Lektüre Sie einiges, was hier geschieht, besser verstehen werden. Aber gerade das, was hier geschieht, wird uns zu einem sehr nützlichen Buch verhelfen, einem Buch, das vieles erklären wird, was der Mensch unbedingt wissen muß. Vielleicht werde ich es schreiben. Hoffentlich werde ich derjenige sein, der es schreibt.«
 »Ich wüßte nicht, wer es besser schreiben könnte.«
 »Schmeicheln Sie mir nicht«, sagte Karkow. »Ich bin Journalist. Aber wie alle Journalisten möchte ich gern Literatur machen. Jetzt eben beschäftige ich mich mit einer Studie über Calvo Sotelo. Sotelo war ein hervorragender Faschist, ein echter spanischer Faschist, zum Unterschied von Franco und Konsorten. Ich habe sämtliche Artikel und Reden Sotelos gelesen. Er war sehr klug, und ihn umzubringen war auch sehr klug.« »Ich dachte, ihr seid gegen das Mittel des politischen Mordes?«
 »Es wird noch recht häufig angewendet«, sagte Karkow. »Recht häufig.«
 »Aber –«
 »Wir sind gegen den individuellen Terror«, sagte Karkow lächelnd. »Natürlich dann, wenn er von verbrecherischen Terroristen und von konterrevolutionären Organisationen ausgeübt wird. Wir verabscheuen die Doppelzüngigkeit und Niedertracht der mörderischen Hyänen und bucharinistischen Schädlinge und solchen Abschaum der Menschheit wie die Sinowjew, Kamenew, Rykow und ihre Nachläufer. Wir hassen und verabscheuen diese leibhaftigen Teufel.« Er lächelte abermals. »Aber ich glaube doch, daß politische Morde noch vorkommen, recht häufig vorkommen.«
 »Sie meinen –«
 »Ich meine gar nichts. Ja, wir vertilgen und vernichten diese leibhaftigen Teufel und den Abschaum der Menschheit und die verräterischen Hunde von Generalen und die empörenden Figuren von Admiralen, die das ihnen geschenkte Vertrauen mißbraucht haben. Sie werden ausgerottet. Aber sie werden nicht ermordet. Verstehen Sie den Unterschied?«
 »Ja«, sagte Robert Jordan.
 »Und wenn ich manchmal Witze mache... Sie wissen, wie gefährlich es ist, Witze zu machen – auch wenn sie wirklich nur als Scherz gemeint sind! Gut. Glauben Sie nicht, weil ich scherze, daß das spanische Volk es nicht eines Tages bereuen wird, daß es gewisse Generale, die noch heute Befehlsposten innehaben, nicht rechtzeitig erschossen hat. Ich liebe Erschießungen nicht, Sie verstehen.« »Mir sind sie gleichgültig«, sagte Robert Jordan. »Ich liebe sie nicht, aber sie sind mir gleichgültig geworden.«
 »Das weiß ich«, sagte Karkow. »Ich habe es gehört.«
 »Ist das so wichtig?« sagte Robert Jordan. »Ich habe mich nur bemüht, Ihnen nichts vorzumachen.«
 »Ich finde es bedauerlich«, sagte Karkow. »Aber auf diese Weise verschafft man sich den Ruf eines zuverlässigen Menschen, während man sonst viel mehr Zeit aufwenden müßte, um in diese Kategorie eingereiht zu werden.«
 »Gelte ich als zuverlässig?«
 »In Ihrer Arbeit gelten Sie als sehr verläßlich. Ich muß mich einmal richtig mit Ihnen unterhalten, um zu sehen, wie es in Ihrem Gehirn aussieht. Es ist bedauerlich, daß wir nie ernsthaft miteinander reden.«
 »Solange wir den Krieg nicht gewonnen haben, ist mein Gehirn beurlaubt«, sagte Robert Jordan.
 »Dann wird es wohl noch sehr lange Urlaub haben. Aber ein bißchen Beschäftigung sollten Sie ihm doch geben.«
 »Ich lese den Mundo Obrero «, sagte Robert Jordan, und Karkow erwiderte: »Gut. Sehr gut. Auch ich kann einen Witz vertragen. Immerhin stehen im Mundo Obrero ganz kluge Sachen. Die einzigen klugen Sachen, die über diesen Krieg geschrieben werden.«
 »Ja«, sagte Robert Jordan. »Der Meinung bin ich auch. Aber wenn man ein vollständiges Bild von den Ereignissen erhalten will, darf man nicht nur das Parteiorgan lesen.«
 »Nein. Aber wenn Sie auch zwanzig Zeitungen lesen, werden Sie kein

Weitere Kostenlose Bücher