Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
bei Carabanchel und Usera kämpfte, an jenen drei denkwürdigen Tagen, da sie den rechten Flügel des faschistischen Angriffs auf Madrid zum Stehen brachten und die Mauren und das Tercio von Haus zu Haus zurückdrängten, um die zerschossene Vorstadt am Rand des grauen, sonnverbrannten Plateaus zu säubern und in den Hügeln eine Verteidigungslinie zu schaffen, die diese Ecke der Stadt schützen würde, saß Karkow in Madrid.
 Auch Karkow vergaß seine zynische Art, wenn er von jener Zeit erzählte. Das waren die Tage, die sie gemeinsam erlebt hatten, da alles verloren schien; jeder von ihnen wußte nun, wie er sich benimmt, wenn alles verloren scheint, und das war mehr wert als jede Auszeichnung oder lobende Erwähnung. Die Regierung hatte die Stadt bereits verlassen und sämtliche Autos des Kriegsministeriums auf ihrer Flucht mitgenommen, und der alte Miaja mußte seine Verteidigungsstellungen per Fahrrad inspizieren. Das wollte nun Robert Jordan nicht glauben. Auch in seiner glühendsten Patriotenphantasie konnte er sich Miaja nicht auf einem Fahrrad vorstellen, aber Karkow behauptete, es sei wahr. Freilich hatte er selber darüber in der russischen Presse geschrieben, und nun wollte er wohl hinterher sich und anderen einreden, daß es auch wirklich wahr sei. Aber da gab es noch eine andere Geschichte, die Karkow nicht veröffentlicht hatte. Im Palace Hotel lagen drei Russen, für die er verantwortlich war. Es waren das zwei Tankführer und ein Flieger, die so schwer verwundet waren, daß man sie nicht wegschaffen konnte, und da es damals von äußerster Wichtigkeit war, keinerlei Beweise für ein russisches Eingreifen zu liefern, Beweise, die die offene Intervention der Faschisten gerechtfertigt hätten, sollte Karkow dafür sorgen, daß die drei Verwundeten nicht den Faschisten in die Hände fielen, falls die Stadt geräumt werden mußte.
 In diesem Fall sollte Karkow die drei vergiften und alle Identitätsmerkmale beseitigen. Wer soll, wenn er drei Leichen sieht, die eine mit Schußwunden im Bauch, die andere mit weggeschossenem Kinn und bloßgelegten Stimmbändern, die dritte mit zerschmettertem Schenkel, Gesicht und Hände so schwer verbrannt, daß das Gesicht eine einzige wimpernlose, brauenlose, haarlose Brandblase ist, wer soll da beweisen können, daß das Russen sind! Niemand kann beweisen, daß dieser nackte Tote im Bett ein Russe ist. Wenn du tot bist, sieht man dir weder deine Nationalität noch deine politische Überzeugung an.
 Robert Jordan hatte Karkow gefragt, wie ihm zumute war, als er mit dieser Möglichkeit rechnen mußte, und Karkow hatte erwidert, er habe gar nicht mit ihr gerechnet. »Wie wollten Sie es machen?« hatte Robert Jordan ihn gefragt und dann hinzugefügt: »Es ist doch nicht so einfach, ganz plötzlich ein paar Menschen zu vergiften.« Und Karkow sagte: »O doch, wenn man immer ein bißchen was für den eigenen Gebrauch bei sich hat!« Dann öffnete er seine Zigarettendose und zeigte Robert Jordan, was er in der einen Abteilung verstaut hatte. »Aber«, wandte Robert Jordan ein, »wenn man Sie erwischt, nimmt man Ihnen erst mal die Zigarettendose weg und außerdem heißt es: Hände hoch!«
 »Aber hier habe ich auch noch was!« Karkow grinste und wies auf den Rockaufschlag. »Man steckt ganz einfach den Zipfel in den Mund, beißt zu und schluckt.«
 »Das ist schon viel besser«, sagte Robert Jordan. »Sagen Sie mal, riecht es wirklich nach bitteren Mandeln, wie das immer in den Kriminalromanen behauptet wird?«
 »Ich weiß es nicht«, sagte Karkow vergnügt. »Ich habe noch nicht daran gerochen. Wollen wir ein Röhrchen zerbrechen und daran riechen?«
 »Behalten Sie's lieber.«
 »Ja«, sagte Karkow und steckte die Zigarettendose ein. »Ich bin kein Defaitist, Sie verstehen, aber es besteht immer die Möglichkeit, daß man wieder in eine so kritische Situation gerät, und dieses Zeug da ist nirgends aufzutreiben. Haben Sie das Kommuniqué von der Córdoba-Front gelesen? Wunderbar! Das ist jetzt mein Lieblingskommuniqué.«
 »Was steht darin?« Robert Jordan war soeben von der Córdoba-Front nach Madrid gekommen, und seine Miene bekam plötzlich etwas Gezwungenes, wie es einem zu passieren pflegte, wenn andere über eine Sache scherzen, über die man selber scherzen mag, ohne es den anderen zu gestatten. »Erzählen Sie!«
  »Nuestra gloriosa tropa siga avanzando sin perder ni una sola palma de terreno«, sagte Karkow in seinem seltsamen Spanisch.
 »Das kann doch

Weitere Kostenlose Bücher