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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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verdanken, daß unsere Belagerung so erfolgreich verlief. Das war die dümmste Phase des Krieges. Damals wurden Rekorde der Dummheit erreicht. Aber sagen Sie mir, was hält man von ihm in Amerika?«
 »In Amerika«, sagte Robert Jordan, »glaubt man, daß er sehr enge Beziehungen zu Moskau hat.«
 »Die hat er nicht«, sagte Karkow. »Aber er hat ein wunderbares Profil und seine Manieren haben großen Erfolg. Ich zum Beispiel könnte mit meinem Gesicht gar nichts erreichen. Das wenige, was ich geleistet habe, das habe ich trotz meines Profils geleistet. Mein Gesicht flößt weder Begeisterung ein noch veranlaßt es die Menschen, mich zu lieben und mir ihr Vertrauen zu schenken. Dieser Mitchell aber hat ein Profil, mit dem er sein Glück macht. Es ist das Gesicht eines Verschwörers. Alle, die ihren Verschwörertypus aus den Romanen kennen, haben sofort das größte Vertrauen zu ihm. Er hat auch die richtigen Manieren eines Verschwörers. Wenn man ihn ins Zimmer hereinkommen sieht, weiß man sofort, daß man sich in der Nähe eines erstklassigen Verschwörers befindet. Alle Ihre reichen Landsleute, die, wie sie sich einbilden, den sentimentalen Wunsch hegen, der Sowjetunion zu helfen, oder vielmehr eine kleine Rückversicherung gegen einen eventuellen Erfolg der Partei eingehen wollen, merken sofort an dem Gesicht dieses Mannes und an seinen Manieren, daß er nichts anderes sein kann als ein erprobter Kominternagent.«
 »Hat er keine Beziehungen in Moskau?«
 »Keine. Sagen Sie mal, Genosse Jordan, wissen Sie, daß es zwei Sorten Dummköpfe gibt?«
 »Die gewöhnlichen und die besonderen?«
 »Nein. In Rußland haben wir zwei andere Sorten von Narren«, sagte Karkow grinsend. »Erstens den Winternarren. Der Winternarr kommt an die Tür deines Hauses und klopft geräuschvoll an. Du gehst zur Tür, siehst ihn dort stehen, und du hast ihn noch nie in deinem Leben gesehen. Er bietet einen imposanten Anblick. Er ist sehr groß, er trägt hohe Stiefel und einen Pelzmantel und eine Pelzmütze, und er ist über und über mit Schnee bedeckt. Zuerst stampft er mit den Füßen auf, und der Schnee fällt von seinen Füßen. Dann zieht er seinen Pelzmantel aus, schüttelt ihn, und es fällt noch mehr Schnee auf den Boden. Dann nimmt er seine Pelzmütze ab und klopft sie an der Tür aus. Jetzt fällt noch mehr Schnee auf den Boden. Dann stampft er noch einmal auf und tritt ins Zimmer. Und dann schaust du ihn an und merkst, daß er ein Narr ist. Das ist der Winternarr... Im Sommer aber siehst du einen Narren durch die Straßen gehen, er schwenkt die Arme und wackelt mit dem Kopf hin und her, und auf hundert Meter Entfernung kann man erkennen, daß er ein Narr ist. Das ist der Sommernarr. Dieser Mitchell ist ein Winternarr.«
 »Aber warum genießt er hier so viel Vertrauen?« fragte Robert Jordan.
 »Sein Gesicht!« sagte Karkow. »Seine schöne gueule de conspirateur. Und sein kostbarer Trick – daß er immer gerade von irgendwo herkommt, wo er sehr angesehen ist und sehr viel Vertrauen genießt. Natürlich«, sagte er lächelnd, »muß er sehr viel unterwegs sein, damit der Trick funktioniert. Sie wissen, die Spanier sind sehr sonderbar«, fuhr Karkow fort. »Die jetzige Regierung hat viel Geld gehabt. Gold! Ihre Freunde bekommen davon nichts. Du bist unser Freund? Gut. Du machst es umsonst und brauchst keine Belohnung. Leute aber, die eine wichtige Firma repräsentieren oder ein Land, das zwar nicht freundschaftlich gesinnt ist, aber das man beeinflussen will – solche Leute, die kriegen was. Es ist sehr interessant, wenn man genauer hinschaut.«
 »Mir gefällt das nicht. Auch dieses Geld gehört den spanischen Arbeitern.«
 »Man erwartet nicht von Ihnen, daß Ihnen etwas gefällt. Sie haben es nur zu begreifen«, sagte Karkow. »Jedesmal wenn wir uns sehen, erteile ich Ihnen eine kleine Lektion, und mit der Zeit werden Sie ein gebildeter Mensch werden. Es müßte doch sehr interessant sein für einen Professor, ein gebildeter Mensch zu werden.« »Ich weiß nicht, ob ich nach meiner Rückkehr in die Staaten noch den Professor werde spielen können. Wahrscheinlich wird man mich als Roten davonjagen.«
 »Na, vielleicht können Sie in die Sowjetunion kommen und dort Ihre Studien fortsetzen. Das wäre vielleicht für Sie das beste.«
 »Aber mein Gebiet ist die spanische Sprache.«
 »Es gibt noch mehr Länder, in denen Spanisch gesprochen wird«, sagte Karkow. »Sie können nicht alle so schwierig zu behandeln

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