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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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allen, die aus freien Stücken den Soldatenberuf wählen, irgendeinmal Spaß gemacht hat, ob sie es nun ableugnen oder zugeben. Anselmo macht es keinen Spaß, weil er kein Soldat ist, sondern ein Jäger. Aber du sollst auch nicht idealisieren. Der Jäger tötet Tiere, der Soldat tötet Menschen. Belüge dich nicht selbst, dachte er. Und laß die literarischen Phantasien. Auch du bist seit langem angesteckt. Und sag nichts gegen Anselmo. Er ist ein wirklicher Christ, und so was findet man selten in einem katholischen Land.
 Aber bei Agustín hätte ich gedacht, es sei pure Angst. Die natürliche Angst vor dem Gefecht. Also war es auch das andere. Kann sein, daß er prahlt. Er hat sich ordentlich gefürchtet. Ich hab's gespürt, als ich ihn anrührte. Na, höchste Zeit, daß das Geschwätz aufhört...
 »Sieh nach, ob der Zigeuner was zu essen gebracht hat«, sagte er zu Anselmo. »Laß ihn nicht erst heraufkommen. Er ist ein Dummkopf. Bring es selbst. Und wenn er auch noch soviel gebracht hat, laß noch mehr holen. Ich bin hungrig.«
 
XXIV
 
 Jetzt war es ein richtiger Maimorgen, hoch und klar war der Himmel, der Wind wehte warm um Robert Jordans Schultern. Schnell schmolz der Schnee, und sie frühstückten. Jeder hatte zwei große, mit Fleisch und Ziegenkäse belegte Brote, und Robert Jordan hatte mit seinem Taschenmesser dicke Zwiebelscheiben abgeschnitten und sie neben das Fleisch und den Käse zwischen die Brote gelegt.
 »Du wirst einen Atem kriegen, der durch den ganzen Wald bis zu den Faschisten reicht«, sagte Agustín mit vollem Mund.
 »Gib mir den Weinschlauch, dann werde ich mir den Mund spülen«, sagte Robert Jordan, den Mund voller Fleisch, Käse, Zwiebeln und gekauten Brotes.
 Er war hungrig wie noch nie in seinem Leben. Er füllte seinen Mund mit Wein, der ein wenig nach Teer schmeckte, und schluckte ihn hinunter. Dann nahm er einen zweiten großen Schluck Wein, hob den Schlauch empor, ließ den Weinstrahl ganz hinten in die Gurgel spritzen, und der Weinschlauch streifte die Nadeln der Kiefernzweige, die das MG schützten, und sein Kopf ruhte in dem Geäst, als er sich zurückbeugte, um den Wein in die Kehle laufen zu lassen.
 »Willst du diese Stulle auch noch haben?« fragte Agustín und reichte sie ihm über das MG weg.
 »Nein. Danke. Iß sie selbst.«
 »Ich kann nicht. Ich bin nicht gewöhnt, frühmorgens etwas zu essen.«
 »Willst du sie wirklich nicht haben?«
 »Nein. Nimm sie nur.«
 Robert Jordan nahm sie und legte sie auf seinen Schoß, während er aus der Seitentasche seiner Jacke, in der die Handgranaten steckten, die Zwiebel hervorholte und sein Messer öffnete, um sie zu zerschneiden. Er entfernte zuerst eine dünne Schicht der äußeren Haut, die in der Tasche schmutzig geworden war, dann schnitt er eine dicke Scheibe ab. Einer der äußeren Ringe fiel zu Boden, er hob ihn auf, bog ihn zusammen und schob ihn zwischen die Brotschnitten. »Ißt du immer Zwiebeln zum Frühstück?« fragte Agustín.
 »Wenn es welche gibt.«
 »Machen das alle Leute bei dir zu Hause?«
 »Nein«, sagte Robert Jordan. »Dort ist das Zwiebelessen verpönt.«
 »Das freut mich«, sagte Agustín. »Ich habe immer Amerika für ein zivilisiertes Land gehalten.«
 »Was hast du gegen Zwiebeln?«
 »Der Geruch paßt mir nicht. Nur der Geruch. Sonst sind sie wie die Rosen.«
 Robert Jordan grinste mit vollem Mund.
 »Wie die Rosen«, sagte er. »Ganz wie die Rosen. Rose ist Rose, ist Zwiebel.«
 »Deine Zwiebeln verwirren dir den Verstand«, sagte Agustín. »Gib acht!«
 »Eine Zwiebel ist eine Zwiebel, ist eine Zwiebel«, sagte Robert Jordan fröhlich und dachte: Ein Stein ist ein Kiesel, ist ein Fels, ist Geröll, ist Granit.
 »Spül dir den Mund mit Wein aus«, sagte Agustín. »Du bist ein merkwürdiger Mensch, Inglés. Es ist ein großer Unterschied zwischen dir und dem vorigen Dynamiter, der mit uns gearbeitet hat.«
 »Ja, ein großer Unterschied.«
 »Sag ihn mir.«
 »Ich lebe, und er ist tot«, sagte Robert Jordan. Dann dachte er: Was ist mit dir los? Ist das eine Art, so draufloszuschwatzen? Macht das Essen dich so lustig? Machen die Zwiebeln dich besoffen? Mehr bedeutet es dir nicht? Es hat dir nie viel bedeutet, sagte er sich wahrheitsgemäß. Du hast dich bemüht, es wichtig zu nehmen, aber das ist dir nicht geglückt. Und es hat keinen Zweck, dir was vorzumachen, in der kurzen Frist, die dir noch gegönnt ist. »Nein«, sagte er jetzt ganz ehrlich. »Er war ein

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