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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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wenn es nicht ganz, ganz, ganz sicher ist, daß sie hier eindringen wollen, wirst du nicht schießen. Und auch dann nicht, bis sie das Gesträuch dort erreicht haben.« Robert Jordan zeigte auf das Gesträuch. »Hast du mich verstanden?«
 »Ja. Aber –«
 »Kein Aber. Ich werde es dir später erklären. Ich gehe jetzt zu Primitivo hinauf.«
 Anselmo war neben ihm, und er sagte zu dem Alten: » Viejo, du bleibst hier bei Agustín.« Er sprach ganz langsam und ohne Hast. »Er darf nicht schießen, solange nicht ihre Kavallerie wirklich hier einzudringen versucht. Wenn sie sich bloß zeigen, muß er sie in Frieden lassen, so wie vorhin. Wenn es sich nicht vermeiden läßt zu schießen, hältst du die Beine des Dreigestells fest und reichst ihm die Magazinscheiben.«
 »Gut«, sagte der Alte. »Und La Granja?«
 »Später.«
 Robert Jordan kletterte über die grauen Felsblöcke hinauf, die sich ganz naß anfühlten, als er sich an ihnen emporzog. Schnell schmolz der Schnee in der Sonne. Die oberen Flächen der Blöcke waren fast schon trocken, und während er hinaufkletterte, ließ er seinen Blick über das Gelände schweifen, sah die Kiefernwälder und die langgestreckte offene Lichtung und die Talsenke, hinter der die hohen Berge sich erhoben. Dann stand er neben Primitivo in einer Mulde zwischen zwei Felsen, und der kleine, braunhäutige Mann sagte zu ihm: »Sie greifen Sordo an. Was werden wir tun?« »Nichts«, sagte Robert Jordan.
 Hier waren die Schüsse deutlich zu hören, und nun sah er in der Ferne, jenseits des fernen Tals, wo das Gelände wieder steil anzusteigen begann, eine Kavallerieabteilung aus dem Gehölz auftauchen, den schneebedeckten Hang überqueren und bergan in die Richtung des Kampflärms reiten. Dunkel hob sich die längliche Doppelreihe der Männer und Gäule von dem Schnee ab, wie sie in schiefem Winkel den Berg hinandrängten. Er beobachtete, wie der Trupp den Kamm der Kuppe erreichte und wieder im Wald verschwand.
 »Wir müssen ihnen zu Hilfe kommen«, sagte Primitivo. Seine Stimme war trocken und tonlos.
 »Unmöglich«, sagte Robert Jordan. »Ich habe das schon den ganzen Morgen erwartet.«
 »Wieso?«
 »Sie sind gestern nacht Pferde stehlen gegangen. Dann hat es zu schneien aufgehört, und man hat ihre Spuren verfolgt.«
 »Aber wir müssen ihnen helfen«, sagte Primitivo. »Wir können sie doch nicht im Stich lassen. Das sind doch unsere Genossen.«
 Robert Jordan legte seine Hand auf des anderen Schulter.
 »Wir können nichts tun«, sagte er. »Wenn wir etwas tun könnten, würde ich es tun.«
 »Es gibt einen Weg über die Berge, auf diesem Weg können wir mit den Pferden und den beiden Maschinengewehren an Ort und Stelle gelangen. So können wir ihnen helfen.«
 »Hör zu –« begann Robert Jordan.
 »Ich höre nur das !« sagte Primitivo.
 Salve folgte auf Salve in übereinandergreifenden Wellen. Dann hörte man durch das trockene Geprassel des MG-Feuers den schweren und dumpfen Knall der Handgranaten.
 »Sie sind verloren«, sagte Robert Jordan. »Sie waren in dem Augenblick verloren, als es zu schneien aufhörte. Wenn wir hingehen, sind auch wir verloren. Es ist unmöglich, unsere geringen Kräfte zu teilen.«
 Auf Primitivos Wangen, auf seiner Oberlippe und seinem Hals sproßte ein grauer Stoppelbart. Das übrige Gesicht war von gleichmäßigem Braun, mit der gebrochenen, plattgedrückten Nase und den tiefliegenden grauen Augen, und als Robert Jordan ihn beobachtete, sah er die Stoppeln an den Mundwinkeln und über den Halssehnen zucken.
 »Horch!« sagte Primitivo. »Es ist ein Gemetzel.«
 »Ja, falls es ihnen gelungen ist, die Mulde zu umzingeln«, sagte Robert Jordan. »Ein paar konnten vielleicht entwischen.«
 »Wir könnten ihnen in den Rücken fallen, ohne daß sie es merken«, sagte Primitivo. »Vier Mann von uns mit den Pferden.«
 »Und was dann? Was geschieht, nachdem ihr sie von hinten angegriffen habt?«
 »Dann vereinigen wir uns mit Sordo.«
 »Um mit ihm zu sterben? Schau nach der Sonne! Der Tag ist lang.«
 Hoch und wolkenlos war der Himmel, und die Sonne schien heiß auf ihre Rücken. Auf dem südlichen Hang der Lichtung unter ihnen zeigten sich jetzt schon große schneefreie Flächen, und von dem Kieferngeäst war bereits aller Schnee heruntergefallen. Die Felsblöcke, die naß gewesen waren von dem schmelzenden Schnee, dampften jetzt leicht in der heißen Sonne.
 »Du mußt es aushalten«, sagte Robert Jordan. »Hay qué

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