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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Vieles hast du beiseite geschoben, um einen Krieg zu gewinnen. Wenn der Krieg verlorengeht, ist das alles verloren.
 Aber hinterher kannst du wegwerfen, was du nicht haben willst. Es gibt vieles, was du nicht haben willst, und vieles, woran du glaubst.
 Und noch etwas: Mach dich nicht über dich selber lustig, weil du einen Menschen liebst. Die meisten haben eben nicht das Glück, es zu erleben. Du hast es nie erlebt, und jetzt erlebst du es. Was du mit Maria erlebst, ob es gerade nur den heutigen Tag und einen Teil des morgigen Tages dauert oder ob es ein ganzes Leben lang währt, ist das Wichtigste, das einem Menschen passieren kann. Immer wird es Leute geben, die behaupten, so was existiere gar nicht, nur weil es ihnen versagt ist. Aber ich sage dir, es existiert, und du hast es erlebt, und du sollst dich glücklich schätzen, auch wenn du morgen sterben mußt. Laß diese Redensarten, sagte er zu sich selbst. Das ist nicht unsere Art zu reden. So reden unsere Freunde, die Anarchisten. Kaum geht's richtig schief, wollen sie gleich irgend etwas anzünden und sterben. Das sind komische Gemüter. Sehr komisch. Na, den heutigen Tag werden wir überstehen, alter Freund, sagte er zu sich. Es ist schon drei, und früher oder später werden wir was zu essen kriegen. Dort drüben wird immer noch geschossen. Das bedeutet, daß sie Sordo umzingelt haben und sehr wahrscheinlich auf Verstärkungen warten. Aber sie müssen es schaffen, bevor's dunkel wird.
 Ich möchte gerne wissen, wie es dort oben bei Sordo aussieht. Das steht uns allen bevor, früher oder später. Ich glaube, besonders gemütlich geht es dort oben nicht zu. Mit dieser Pferdegeschichte haben wir Sordo eine schöne Suppe eingebrockt. Wie sagt man im Spanischen? Un callejón sin salida. Eine Sackgasse. Ich würde es schon überstehen. Man muß es ja nur einmal überstehen, und es geht schnell vorbei. Aber müßte es nicht herrlich sein, einmal in einem Krieg mitzukämpfen, wo man sich ergeben kann, wenn man umzingelt ist? Estamos copados. Wir sind umzingelt. Das ist der große Angstschrei in diesem Krieg. Gleich darauf wird man erschossen – ohne, wenn man Glück hat, vorher allzu viel Schlimmes durchzumachen. El Sordo wird nicht so viel Glück haben. Und auch wir nicht, wenn wir an die Reihe kommen.
 Es war drei Uhr. Da hörte er das ferne Surren, und als er aufblickte, sah er die Flugzeuge.
 
  XXVII
 
 El Sordo hatte sich auf einem Hügel festgebissen. Der Hügel gefiel ihm gar nicht, und als er ihn erblickte, dachte er gleich, er sehe aus wie ein Schankergeschwür. Aber es blieb ihm keine andere Wahl, und er hatte sich ihn schon von weitem ausgesucht und galoppierte auf ihn zu, das schwere Schnellfeuergewehr auf dem Rücken, und das Pferd hatte es nicht leicht, der Lauf des Schnellfeuergewehrs kam ihm zwischen die Schenkel, an der einen Seite baumelte der Sack mit den Handgranaten, an der anderen Seite der Sack mit den MG-Scheiben, und Joaquín und Ignacio machten halt und schossen, damit El Sordo Zeit habe, das MG in Stellung zu bringen.
 Noch hatte der Schnee dagelegen, der Schnee, der ihr Verderben geworden war, und als das Pferd getroffen wurde, so daß es keuchend, mit langsamen, ruckenden, taumelnden Schritten den letzten Rest der Steigung zurücklegte, während ein heller, pulsierender Blutstrahl den Schnee besprengte, hatte Sordo es am Zaumzeug hinaufgezerrt, die Zügel über der Achsel. Er kletterte, so schnell er nur konnte, während die Kugeln gegen die Felsen klatschten, schwer lasteten die beiden Säcke auf seinen Schultern, und dann packte er das Pferd bei der Mähne und erschoß es schnell, fachmännisch und liebevoll (denn gerade hier an dieser Stelle konnte er den Kadaver gebrauchen), so daß der Gaul mit dem Kopf voran in die Lücke zwischen drei Felsblöcken stürzte und dort liegen blieb. Dann hatte er über den Rücken des Pferdes weg zu feuern begonnen und zwei Magazine verschossen. Das MG ratterte, die leeren Patronenhülsen purzelten in den Schnee, das verbrannte Haar des Pferdefells unter dem heißen Lauf stank ihm in die Nase, er feuerte auf alles, was den Hügel heraufkam, zwang die Angreifer, sich zu zerstreuen und in Deckung zu gehen, und unaufhörlich rieselte es ihm kalt über den Rücken, weil er nicht wußte, was hinter ihm vorging. Nachdem der letzte der fünf den Gipfel des Hügels erreicht hatte, verließen die kalten Schauer seinen Rücken, und er sparte die restlichen Scheiben für eine spätere Gelegenheit

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