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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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ganz gut«, sagte Robert Jordan. »Aber sie haben dort ziemlich große Verluste.« Er betrachtete die Deckung des MGs, die sie ein wenig verändert und verbessert hatten, nachdem der Schnee ganz weggeschmolzen war. Sie wirkte jetzt recht überzeugend. Sein Blick schweifte wieder über das Gelände.
 »Wo ist er her?« fragte Primitivo.
 »Aus Tafalla«, sagte Robert Jordan.
 Gut, gut, sagte er zu sich selbst. Ich bereue es, falls das etwas nützen sollte.
 Es nützt nichts, sagte er sich selbst.
 Gut, dann laß es sein, sagte er zu sich selbst.
 Gut, ich lasse es sein.
 Aber das war nicht so einfach. Wie viele hast du schon umgebracht? fragte er sich selbst. Ich weiß es nicht. Glaubst du, daß du das Recht hast, einen Menschen umzubringen? Nein. Aber ich bin dazu gezwungen. Wie viele von denen, die du getötet hast, sind wirkliche Faschisten gewesen? Sehr wenige nur. Aber alle zusammen sind der Feind, dessen Gewalt wir mit Gewalt beantworten. Dabei gefallen dir die Leute aus Navarra besser als die Bewohner irgendeiner anderen spanischen Landschaft. Ja. Und du bringst sie um. Ja. Wenn du es nicht glauben willst, geh hinunter ins Lager. Weißt du nicht, daß es unrecht ist, zu töten? Ja. Aber du machst es trotzdem? Ja. Und du bist immer noch völlig davon überzeugt, daß deine Sache eine gerechte sei? Ja. Sie ist gerecht, sagte er sich, nicht etwa, um sich zu beruhigen, sondern voller Stolz. Ich glaube an das Volk und an sein Recht, sich ein Regime nach seinen eigenen Wünschen zu schaffen. Aber, sagte er sich, du darfst dir nicht einreden, daß es richtig sei, Menschen zu töten. Du mußt es tun, weil es sich nicht vermeiden läßt, aber du sollst es nicht für richtig halten. Wenn du es für richtig hältst, stimmt die ganze Sache nicht mehr.
 Aber wie viele, glaubst du, hast du schon umgebracht? Ich weiß es nicht, weil ich sie nicht zu zählen wünsche. Aber weißt du es? Ja. Wie viele? So genau kann man das nicht wissen. Bei den Eisenbahnüberfällen pflegen viele umzukommen. Sehr viele. Aber man kann sie nicht zählen. Aber die, die du zählen kannst? Über zwanzig. Und wie viele davon waren wirkliche Faschisten? Von zweien weiß ich es sicher. Ich mußte sie erschießen, nachdem wir sie bei Usera gefangengenommen hatten. Und du hast dich nicht dagegen gewehrt? Nein. Aber es hat dir auch nicht gefallen? Nein. Ich habe beschlossen, so etwas nie wieder zu tun, und ich habe es auch bisher vermieden, Unbewaffnete zu töten.
 Hör mal, sagte er sich. Hör lieber auf mit diesem Zeug. Laß das endlich sein! Es schadet dir und deiner Arbeit. Dann antwortete er sich selber: Du hörst zu, ja? Was du tust ist ernst, und ich muß dafür sorgen, daß du immer begreifst, was du tust. Ich muß immer dafür sorgen, daß in deinem Kopf Klarheit herrscht. Wenn nicht völlige Klarheit in deinem Kopf herrscht, hast du kein Recht, das zu tun, was du tust, denn alle deine Handlungen sind verbrecherisch, und niemand hat das Recht, einem anderen das Leben zu nehmen, es sei denn, er will damit verhindern, daß einem Dritten etwas noch Schlimmeres passiert. Mach dir das alles ganz klar und belüge dich nicht selbst.
 Aber ich will nicht die Leute zählen, die ich umgebracht habe, als wär's eine Liste von Jagdtrophäen oder eine so widerliche Sache wie die Kerben im Gewehrkolben. Ich habe das Recht, sie nicht zu zählen, und ich habe das Recht, sie zu vergessen. Nein, sagte er selber zu sich. Du hast nicht das Recht, irgend etwas zu vergessen. Du hast nicht das Recht, deine Augen vor irgendeiner Tatsache zu verschließen. Du hast nicht das Recht, irgend etwas zu vergessen, es abzuschwächen oder es umzulügen.
 Halt's Maul, sagte er zu sich selber. Du wirst ja schrecklich pompös!
 Und du hast nicht das Recht, dir was vorzumachen, fuhr er selber fort.
 Gut, sagte er zu sich selber. Vielen Dank für alle die guten Ratschläge, und ist es recht von mir, wenn ich Maria liebe?
 Ja, sagte er selber zu sich.
 Auch wenn eine rein materialistische Gesellschaftsauffassung so etwas wie Liebe angeblich gar nicht kennt?
 Seit wann hast du derartige Auffassungen? Du bist kein Marxist, das weißt du sehr gut. Du glaubst an Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Du glaubst an die Devisen der amerikanischen Republik: Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Schlag dich nicht allzusehr mit der Dialektik herum. Für manche eignet sie sich, aber nicht für dich. Du mußt bloß Bescheid wissen, um nicht als grüner Junge zu gelten.

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