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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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zweites Mal. »Spar deine Patronen!« sagte Sordo. »Einer der verdammten Hurensöhne hat versucht, sich zu diesem Felsblock hinzuschleichen.« Der Mann zeigte auf den Felsblock.
 »Hast du ihn getroffen?« fragte Sordo und wandte mühsam den Kopf.
 »Nein. Der Hurenbock hat sich schnell geduckt.«
 »Die größte Hure ist die Pilar«, sagte der Mann mit dem Kinn im Dreck. »Diese Hure weiß, daß wir hier krepieren.«
 »Sie könnte uns nicht helfen«, sagte Sordo. Der Mann, der gesprochen hatte, befand sich auf der Seite seines gesunden Ohrs, und er hatte ihn verstanden, ohne den Kopf zu wenden. »Was könnte sie tun?«
 »Diese Hurensäue von hinten angreifen.«
  »¡Qué va!« sagte Sordo. »Sie sind über den ganzen Hang verstreut. Wie soll sie an sie herankommen? Es sind hundertfünfzig Mann. Jetzt vielleicht noch mehr.«
 »Aber wenn wir aushalten, bis es dunkel wird!« sagte Joaquín.
 »Und wenn Weihnachten auf Ostern fällt!« sagte der Mann mit dem Kinn an der Erde.
 »Wenn deine Tante cojónes hätte, wäre sie dein Onkel«, sagte ein anderer. »Ruf deine Pasionaria. Nur sie kann uns helfen.«
 »Das mit dem Sohn glaube ich nicht«, sagte Joaquín. »Oder wenn er dort ist, wird er zum Flieger ausgebildet oder so etwas Ähnliches.«
 »Er versteckt sich vor dem Krieg«, sagte der andere.
 »Er studiert Dialektik. Deine Pasionaria ist auc h dort gewesen. Ebenso Lister und Modesto und andere. Der mit dem merkwürdigen Namen hat es mir erzählt.«
 »Wenn sie nur hingehen und viel lernen und dann zurückkommen, um uns zu helfen!« sagte Joaquín. »Wenn sie uns bloß jetzt helfen würden!« sagte ein anderer. »Wenn bloß diese ganze Scheißbande von russischen Schwindlern uns jetzt helfen würde!« Er feuerte und sagte: » Me cago en tal. Ich habe ihn wieder nicht getroffen.«
 »Spar deine Patronen und rede nicht soviel, sonst wirst du zu durstig werden«, sagte Sordo. »Es gibt kein Wasser auf diesem Hügel.«
 »Da hast du«, sagte der Mann, wälzte sich auf die Seite, schob den Riemen eines Weinschlauchs, den er umgehängt hatte, über den Kopf und reichte den Weinschlauch El Sordo. »Spül dir den Mund aus, Alter. Du mußt sehr durstig sein von den Wunden.«
 »Gib allen was!« sagte Sordo.
 »Dann nehme ich mir zuerst«, sagte der Besitzer des Weinschlauchs und spritzte einen kräftigen Strahl in seinen Mund, bevor er die Lederflasche weitergab.
 »Sordo«, fragte der Mann mit dem Kinn im Dreck, »wann glaubst du, werden die Flugzeuge kommen?«
 »Jeden Augenblick«, sagte Sordo. »Sie müßten eigentlich schon hier sein.«
 »Glaubst du, diese verdammten Hurensöhne werden noch einmal angreifen?«
 »Nur wenn die Flugzeuge nicht kommen.«
 Er hielt es nicht für nötig, den Mörser zu erwähnen. Sie werden es schnell genug merken, wenn der Mörser kommt.
 »Weiß Gott, sie haben genug Flugzeuge, was wir da gestern gesehen haben.«
 »Zu viele«, sagte Sordo.
 Der Kopf tat ihm sehr weh, und sein Arm wurde immer steifer, so daß die geringste Bewegung ihm fast unerträgliche Schmerzen bereitete. Während er mit dem gesunden Arm die lederne Weinflasche erhob, blickte er zu dem hellen, hohen blauen Frühsommerhimmel auf. Er war jetzt 52 Jahre alt, und er war überzeugt davon, daß er zum letztenmal diesen Himmel sah. Er hatte gar keine Angst vor dem Sterben, aber es ärgerte ihn, daß man ihn auf diesem Hügel umstellt hatte, der zu nichts anderem taugte als zum Sterben. Wenn wir ihnen nur hätten entwischen können! dachte er. Wenn wir sie hätten veranlassen können, durch das lange Tal zu reiten, oder wenn wir uns über die Straße hätten hinüberretten können, dann wäre alles gutgegangen. Aber dieses Schankergeschwür von einem Hügel! Wir müssen ihn ausnützen, so gut wir können; bisher haben wir ihn recht gut ausgenützt.
 Hätte er gewußt, wie oft in der Geschichte Menschen einen Hügel haben benützen müssen, um auf ihm zu sterben, würde ihn das auch nicht aufgeheitert haben, denn in einem solchen Augenblick, wie er ihn jetzt durchlebte, macht es keinen Eindruck, wenn andere unter ähnlichen Umständen Ähnliches erlebt haben, ebensowenig, wie die Witwe von heute sich durch die Einsicht getröstet fühlt, daß auch schon andere Frauen ihre geliebten Männer verloren haben. Den eigenen Tod nimmt man nicht so leicht hin, gleichgültig, ob man ihn fürchtet oder nicht. El Sordo fügte sich in den Tod, aber es war nicht besonders erfreulich – trotz der 52 Jahre,

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