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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Aber nimm dich in acht, Weib! Sordo war mein guter Kamerad.«
 »Und meiner nicht?« fragte Pilar. »Merk dir, du Plattgesicht: Im Krieg kann man nicht immer sagen, was man fühlt. Wir haben genug eigene Sorgen.«
 Primitivo war noch immer verstimmt.
 »Du solltest ein Pulver nehmen«, sagte Pilar zu ihm. »Und jetzt gehe ich das Essen kochen.«
 »Hast du mir die Dokumente des requeté mitgebracht?« fragte Robert Jordan.
 »Wie dumm von mir!« sagte sie. »Ich hab's vergessen. Ich werde Maria schicken.«
 
  XXVI
 
 Es wurde drei Uhr nachmittags, bevor die Flugzeuge kamen. Der Schnee war bereits um die Mittagszeit völlig verschwunden, und die Felsen glühten in der Sonne. Keine Wolke war am Himmel. Robert Jordan saß ohne Hemd zwischen den Steinblöcken, ließ sich den Rücken von der Sonne bräunen und las die Briefe, die man in den Taschen des toten Reiters gefunden hatte. Von Zeit zu Zeit unterbrach er seine Lektüre, blickte über den offenen Hang zu dem Waldrand hinüber, blickte zu dem Hochland hinauf und widmete sich dann wieder den Briefen. Feindliche Kavallerie war nicht mehr aufgetaucht. Von Zeit zu Zeit hörte man aus der Gegend von El Sordos Lager den Knall eines Schusses. Aber es waren nur vereinzelte Schüsse.
 Aus den Militärpapieren des Gefallenen ging hervor, daß der Junge aus Tafalla in Navarra stammte, 21 Jahre alt war, unverheiratet, der Sohn eines Grobschmiedes. Sein Regiment war das X. Kavallerieregiment, und darüber wunderte sich Robert Jordan, denn er hatte geglaubt, daß dieses Regiment sich im Norden befinde. Er war Karlist und war zu Beginn des Krieges bei den Kämpfen um Irún verwundet worden.
 Wahrscheinlich habe ich ihn auf der Feria in Pamplona vor den Stieren durch die Straßen laufen sehen, dachte Robert Jordan. Im Krieg bringt man nie die Menschen um, die man umbringen möchte, sagte er zu sich selber. Oder, verbesserte er sich, nur selten, und dann las er die Briefe.
 Die ersten Briefe, die er las, waren sehr formell gehalten, sehr sorgfältig geschrieben und beschäftigten sich fast nur mit lokalen Ereignissen. Die Briefe stammten von der Schwester des Gefallenen, und Robert Jordan erfuhr, daß in Tafalla alles gut stand, daß Vater sich wohl fühlte, daß es Mutter so ging wie immer, aber daß sie über Rückenschmerzen klagte, daß sie, die Schwester, hoffte, es gehe ihm gut und er sei nicht allzusehr gefährdet, und wie sehr sie sich freue, da er gegen die Roten kämpfte, um Spanien von der Herrschaft der marxistischen Horden zu befreien. Dann folgte eine Liste der jungen Männer aus Tafalla, die seit ihrem letzten Brief gefallen oder schwer verwundet worden waren. Sie erwähnte die Namen von zehn Gefallenen. Das ist sehr viel für eine Stadt von der Größe Tafallas, dachte Robert Jordan. Der Stil des Briefes bewegte sich in reichlich frommen Wendungen, und sie betete zu dem heiligen Antonius, zu der gebenedeiten Jungfrau von Pilar und anderen Jungfrauen, daß sie den Bruder beschützen möchten, und sie bat ihn, nie zu vergessen, daß er auch unter dem Schutz des Heiligen Herzens Jesu stehe, das er wohl, wie sie hoffte, noch an der Brust trug, immer genau über dem eigenen Herzen, denn es habe sich unzählige Male – diese zwei Worte waren unterstrichen – erwiesen, daß das Heilige Herz Jesu die Macht habe, Kugeln aufzuhalten. Und sie verbleibe wie immer seine ihn liebende Schwester Concha.
 Dieser Brief war an den Rändern ein wenig fleckig, Robert Jordan legte ihn sorgfältig zu den Militärpapieren und entfaltete einen Brief, dessen Handschrift einen weniger strengen Eindruck machte. Er stammte von der novia des jungen Mannes, von seiner Verlobten, war gleichfalls in einem sehr ruhigen und formellen Stil gehalten, verriet aber eine geradezu hysterische Besorgnis um seine Sicherheit. Robert Jordan las ihn durch und steckte dann sämtliche Briefe, zusammen mit den Dokumenten, in seine Hüfttasche. Er wollte diese Briefe nicht mehr lesen.
 Ich habe wohl heute meine gute Tat schon getan, sagte er zu sich selber. Ja, das hast du wohl, wiederholte er.
 »Was hast du denn da gelesen?« fragte Primitivo.
 »Die Dokumente und Briefe dieses requeté, den wir heute morgen erschossen haben. Willst du sie sehen?« »Ich kann nicht lesen«, sagte Primitivo. »Steht etwas Interessantes drin?«
 »Nein«, erwiderte Robert Jordan, »es sind rein persönliche Briefe.«
 »Wie sieht es bei ihm zu Hause aus? Kannst du das aus den Briefen ersehen?«
 »Anscheinend

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