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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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auf. Es lagen noch zwei tote Pferde auf dem Hang und drei weitere auf dem Gipfel des Hügels. Er hatte in der vergangenen Nacht nur drei Pferde erwischen können, und das eine war ihnen ausgerissen, als sie es ohne Sattel zu besteigen versuchten – in dem Pferch neben dem Lager, als die erste Schießerei losging...
 Von den fünf, die den Gipfel des Hügels erreicht hatten, waren drei verwundet. El Sordo war an der Wade und an zwei Stellen des linken Armes verwundet. Er war sehr durstig, seine Wunden waren verschwollen, und die eine der Wunden im linken Arm schmerzte sehr. Er hatte auch schreckliche Kopfschmerzen, und während er dalag und auf die Flugzeuge wartete, fiel ihm ein spanischer Witz ein. »Hay que tomar la muerte como si fuera aspirina.« Und das heißt: »Du mußt den Tod wie ein Aspirin nehmen.« Aber er behielt den Witz für sich. Er grinste irgendwo tief drin in seinen Kopfschmerzen, tief drin in dem Gefühl der Übelkeit, das in ihm hochstieg, sooft er den Arm bewegte und sich nach dem kläglichen Rest seiner Schar umsah.
 Die fünf Mann waren ausgeschwärmt wie die Spitzen eines fünfzackigen Sternes. Mit Knien und Händen hatten sie die Erde aufgewühlt und vor den Köpfen und Schultern kleine Hügel aus Erde und Steinen errichtet, die sie als Deckung benützten, um sodann die einzelnen Hügel durch Steine und Erdreich miteinander zu verbinden.
 Joaquín, der achtzehn Jahre alt war, besaß einen Stahlhelm, den er zum Graben benützte und in dem er die Erde weiterreichte.
 Diesen Helm hatte er bei dem Eisenbahnüberfall erbeutet. Er war von einem Gewehrschuß durchlöchert, und alle hatten sich über ihn lustig gemacht, weil er ihn nicht wegwerfen wollte. Aber er hatte die zackigen Ränder des Kugellochs glatt gehämmert, einen hölzernen Pflock hineingetrieben, den Pflock abgeschnitten und der metallenen Innenseite des Helms angeglichen. Als die Schießerei losging, hatte er diesen Helm rasch aufgestülpt, so heftig, daß er ihm gegen den Kopf ballerte wie eine Kasserolle, und als er dann, nachdem sie ihm sein Pferd erschossen hatten, über das letzte Stück des Hügelhangs hinaufrannte, mit schmerzender Lunge, gelähmten Beinen, ausgetrocknetem Mund, im Klatschen, Peitschen und Singen der Kugeln, schien der Helm recht schwer zu wiegen und seine berstende Stirn in ein eisernes Band zu schmieden. Aber er hatte ihn behalten, und jetzt benützte er ihn zum Graben, in einer starren, fast mechanischen Verzweiflung. Er hatte bisher noch nichts abbekommen.
 »Endlich ist er doch zu was nütze«, sagte Sordo zu ihm mit seiner tiefen, heiseren Stimme.
  »Resistir y fortificar es vencer«, sagte Joaquín. (Sein Mund war ganz steif, die Angst hatte ihn ausgetrocknet, sie macht den Mund trockener als der gewöhnliche Durst des Kampfes.) Es war das eine der Losungen der Kommunistischen Partei. »Halte durch, beiße dich fest, und du wirst siegen.«
 El Sordo schaute weg und blickte den Hang hinunter zu dem Felsblock, hinter dem einer der Kavalleristen lag und seine Schützenkünste übte. Er hatte den Jungen gern, und er war nicht in der Stimmung für Parteilosungen.
 »Was hast du gesagt?« Einer der Männer wandte sich von der kleinen Verschanzung ab, an der er gerade arbeitete. Er lag flach auf dem Gesicht, langte vorsichtig mit den Händen hinauf, wenn er einen Stein zu den anderen fügte, während er das Kinn fest gegen die Erde preßte.
 Joaquín wiederholte mit seiner ausgetrockneten Knabenstimme die Losung, ohne auch nur einen Augenblick lang im Buddeln innezuhalten. »Was war das letzte Wort?« fragte der Mann mit dem Kinn an der Erde.
 » Vencer«, sagte der Junge. »Siegen.«
  »Mierda«, sagte der Mann mit dem Kinn an der Erde.
 »Es gibt auch noch eine andere Losung, die hierher paßt«, sagte Joaquín, die Losungen hervorkramend, als ob es Talismane wären. »Die Pasionaria sagte, es ist besser, stehend zu sterben, als kniend zu leben.«
 »Nochmals mierda «, sagte der Mann, und ein anderer sagte über die Schulter: »Wir liegen auf dem Bauch, nicht auf den Knien.«
 »Du, Kommunist, weißt du, daß eure Pasionaria einen Sohn in deinem Alter hat, der seit Beginn der Bewegung in Rußland ist?«
 »Das ist eine Lüge«, sagte Joaquín.
 » Qué va, eine Lüge!« sagte der andere. »Der Dynamiter mit dem merkwürdigen Namen hat es mir erzählt. Er war doch von derselben Partei wie du. Warum sollte er mich anlügen?«
 »Es ist eine Lüge«, sagte Joaquín. »Nie würde sie so

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