Wem die Stunde schlaegt
steht, und das ferne Land jenseits der Hügel war das Tal ihrer Halsgrube, in der seine Lippen ruhten. Er lag ganz still und dachte an nichts, und sie streichelte seinen Kopf.
»Roberto«, sagte Maria sehr leise und küßte ihn. »Ich schäme mich. Ich möchte dich nicht enttäuschen, aber ich bin sehr wund und habe viel Schmerzen. Ich glaube nicht, daß du viel mit mir anfangen kannst.«
»Immer ist man wund und hat viel Schmerzen«, sagte er. »Nein, mein Kaninchen. Das macht nichts. Wir werden nichts tun, was dir Schmerzen bereitet.«
»Das ist es nicht. Aber daß ich dich nicht so empfangen kann, wie ich möchte.«
»Das ist nicht wichtig. Das geht vorüber. Wir sind beisammen, wenn wir beisammen liegen.«
»Ja, aber ich schäme mich. Ich glaube, es ist von damals, als man das alles mit mir getan hat. Nicht von dir und mir.«
»Sprechen wir nicht darüber.«
»Ich will auch gar nicht darüber sprechen. Ich dachte mir nur, daß ich es nicht ertragen kann, dich gerade heute nacht im Stich zu lassen, und da versuchte ich mich zu entschuldigen.«
»Hör mal, Häschen!« sagte er. »Das alles geht vorüber, und dann ist es kein Problem mehr.« Aber er dachte: In der letzten Nacht mußt du Pech haben!
Dann schämte er sich und sagte: »Drück dich eng an mich an, mein Kaninchen. Wenn ich dich so im Dunkeln hier drin neben mir fühle, habe ich dich genauso lieb, wie ich dich liebhabe, wenn wir miteinander schlafen.« »Ich schäme mich sehr, weil ich mir gedacht habe, es wird vielleicht heute nicht wieder genauso sein wie im Hochland, als wir von El Sordo kamen.«
»¡Qué va!« sagte er. »Das kann man nicht jeden Tag haben. Mir gefällt das jetzt genauso gut wie das andere.« Er log, seine Enttäuschung beiseite schiebend. »Wir werden still beieinander liegen, und dann werden wir schlafen. Plaudern wir ein bißchen. Ich habe dich noch so wenig plaudern hören.«
»Sollten wir nicht über den morgigen Tag sprechen und über deine Arbeit? Ich möchte gern klüger sein und etwas von deiner Arbeit verstehen.«
»Nein«, sagte er, streckte sich mit schlaffem Behagen der Länge nach in den Sack, lag dann ganz still, die Wange an ihrer Schulter, den linken Arm unter ihrem Kopf. »Nein. Das klügste ist, gar nicht über den morgigen Tag und über die heutigen Ereignisse zu sprechen. Bei unserem Handwerk zählen wir nicht die Verluste, und was wir morgen zu tun haben, das werden wir tun. Du hast doch keine Angst?«
»¡Qué va!« sagte sie. »Ich habe immer Angst. Aber jetzt habe ich solche Angst um dich, daß ich gar nicht mehr an mich denke.«
»Das darfst du nicht, Häschen. Ich habe schon vieles überstanden, und Schlimmeres als das«, log er.
Dann überließ er sich plötzlich einem neuen Gefühl, dem köstlichen Wunsch, ins Unwirkliche zu flüchten, und er sagte: »Sprechen wir über Madrid – und uns beide in Madrid!«
»Gut«, sagte sie. »Oh, Roberto, verzeih mir, daß ich dich im Stich gelassen habe. Kann ich nicht etwas anderes für dich tun?«
Er streichelte ihren Kopf und küßte sie, lag dann still und entspannt dicht neben ihr und lauschte dem nächtlichen Schweigen. »Du kannst mit mir über Madrid reden«, sagte er und dachte: Allen Überschuß spare ich mir für morgen. Morgen werde ich alles brauchen. Die Kiefernnadeln brauchen es jetzt nicht so sehr, wie ich es morgen brauchen werde. Wie hieß er in der Bibel, der seinen Samen auf die Erde verspritzt hat? Onan. Was ist aus Onan geworden? dachte er. Ich kann mich nicht erinnern, je wieder etwas von Onan gehört zu haben. Er lächelte im Finstern.
Dann überließ er sich wieder dem köstlichen Gefühl des Gleitens und Fallens, hingleitend in die Ruhe des Unwirklichen, das voller Wollust war wie ein sexuelles Empfangen, wenn du nicht weißt, was da im Dunkel der Nacht zu dir kommt, es gibt kein Verstehen, nur das Entzücken der Hingabe...
»Mein Liebstes!« sagte er und küßte sie. »Hör mal! Neulich abend dachte ich an Madrid, und ich dachte, wir werden beide hinfahren, und ich werde dich im Hotel lassen, während ich in das Hotel der Russen gehe, um dort mit verschiedenen Leuten zu reden. Aber das war falsch. Nie werde ich dich in einem Hotel allein lassen!«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich mich um dich kümmern will. Ich werde dich nie allein lassen. Ich werde mit dir zur Seguridad gehen, Papiere besorgen. Dann gehe ich mit dir Kleider kaufen, die du brauchst.«
»Ich brauche nicht viele Kleider, und die
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