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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Fort Kearny diente, pflegten die Indianer die gefallenen Feinde zu skalpieren. Erinnerst du dich noch an das Kabinett im Büro deines Vaters, an die Pfeilspitzen, die auf einem Wandbrett arrangiert waren, an das Adlergefieder der indianischen Kopftrachten, die mit schräg zurückfallenden Federn an der Wand hingen, an den Geruch der Gamaschen und Hemden, die nach geräuchertem Hirschleder rochen, und erinnerst du dich, wie die perlbesetzten Mokassins sich anfühlten? Erinnerst du dich an den langen Büffelbogen, der in einer Ecke des Kabinetts lehnte, und an die zwei Köcher mit den Jagd-und Kriegspfeilen, und wie das Schaftbündel sich anfühlte, wenn man es mit der Hand umfaßte?
 Ja, an solche Dinge sollst du denken! Denk an etwas Konkretes und Praktisches! Erinnere dich an Großvaters Säbel, der blank und gut eingefettet in seiner schartigen Scheide stak, und Großvater zeigte dir, wie die Klinge von dem häufigen Schleifen schon ganz dünn geworden war. Erinnere dich an Großvaters Smith & Wesson . Es war ein einschüssiges Offiziersmodell, Kaliber 32, ohne Abzugsbügel. Und der Abzug ging so sanft und leicht wie bei keinem anderen Revolver, und das Ding war immer gut geölt und die Bohrung immer sauber, obgleich die ganze Politur schon weggewischt war und das braune Metall des Laufs und der Trommel sich an dem Leder des Futterals glattgescheuert hatte. Der Revolver stak in einem Futteral, das die Buchstaben U. S. auf der Klappe hatte, und wurde zusammen mit dem Putzzeug und 200 Patronen in einer Schublade aufbewahrt. Die Pappschachteln waren in Papier gewickelt und sauber mit gewachstem Zwirn zugebunden.
 Du durftest die Pistole aus der Schublade holen und in die Hand nehmen. »Nimm sie ruhig in die Hand«, pflegte Großvater zu sagen. Aber du durftest nicht mit ihr spielen, weil es »eine ernsthafte Waffe« war. Du fragtest einmal den Großvater, ob er mit dem Ding schon einmal einen Menschen erschossen habe, und er sagte: »Ja.«
 Dann sagtest du: »Wann, Großvater?« Und er sagte: »Im Rebellionskrieg und auch nachher.«
 Du sagtest: »Willst du mir davon erzählen, Großvater?«
 Und er sagte: »Ich spreche nicht gern darüber, Robert.«
 Nachdem dann dein Vater sich mit diesem Revolver erschossen hatte und du von der Schule zurückgekommen warst und das Leichenbegräbnis stattgefunden hatte, gab der Coroner nach der amtlichen Leichenschau dir den Revolver zurück und sagte: »Bob, du wirst das Ding wohl behalten wollen. Ich sollte es eigentlich beschlagnahmen, aber ich weiß, dein Alter hat große Stücke darauf gehalten, weil sein Alter es den ganzen Krieg hindurch getragen hat und nachher auch hier noch, als er mit der Kavallerie hierher versetzt wurde, und es ist doch ein verteufelt guter Revolver. Ich hab ihn heute nachmittag ausprobiert. Er haut nicht viel hin, aber man trifft mit ihm.«
 Er hatte die Waffe wieder in die Schublade gelegt, wo sie hingehörte, aber am folgenden Tag hatte er sie hervorgeholt und war mit Chub zu der höchsten Stelle des Hochlandes oberhalb von Red Lodge hinauf geritten, wo sie jetzt die Straße über den Paß und über das Bear-Tooth-Plateau nach Cooke City gebaut haben, und dort oben, wo die Luft dünn ist und wo den ganzen Sommer hindurch Schnee auf den Kuppen liegt, hatten sie neben dem See haltgemacht, der von tiefgrüner Farbe und angeblich 800 Fuß tief ist, und Chub hielt die beiden Pferde, und er, Robert Jordan, kletterte auf einen Felsen hinauf und beugte sich vor und sah in dem stillen Wasser sein Gesicht und seine Hand, die die Waffe hielt, und dann ließ er sie mit dem Kolben voran ins Wasser fallen, sah sie versinken, und Blasen stiegen auf, sah sie versinken, bis sie in dem klaren Wasser nur noch so groß war wie ein Anhängsel, und dann war sie nicht mehr zu sehen. Dann kam er vom Felsen zurück, und als er sich in den Sattel schwang, stieß er der alten Bess die Sporen so heftig in die Weichen, daß sie zu bocken anfing wie ein altes Schaukelpferd. Er ließ sie am Seeufer sich ausbocken, und als sie wieder vernünftig wurde, ritten sie nach Hause. »Ich weiß, warum du das gemacht hast, Bob«, sagte Chub.
 »Gut, dann brauchen wir nicht darüber zu reden«, hatte er geantwortet.
 Sie redeten nie darüber, und so endete Großvaters Pistole. Den Säbel hatte er noch bei seiner übrigen Habe in seinem Koffer in Missoula liegen.
 Ich wäre neugierig, was Großvater zu meiner jetzigen Lage sagen würde, dachte er. Alle Leute behaupteten, Großvater

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