Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
Wand des Billardzimmers in Red Lodge hing.
 »Er hatte bloß ein großes Glück, sich reinzusetzen und rauszuwursteln«, fuhr sein Großvater fort, »und am Little Big Horn hat er sich reingesetzt, aber er konnte sich nicht mehr rauswursteln... Phil Sheridan, ja, das war ein kluger Mann. Auch Jeb Stuart. Aber John Mosby, der war der beste Reiterführer, der je gelebt hat.«
 Bei seinen Sachen in dem Koffer in Missoula lag ein Brief von General Phil Sheridan an den alten Kilpatrick, Killy-the- Horse Kilpatrick, in dem er schrieb, Großvater sei als Führer irregulärer Kavallerie noch tüchtiger als John Mosby. Ich müßte mal Golz von meinem Großvater erzählen, dachte er. Er hat aber wohl nie seinen Namen gehört. Wahrscheinlich hat er auch nie was von John Mosby gehört. Die Engländer aber kennen diese Namen; in ihren Schulen beschäftigt man sich mehr mit dem amerikanischen Bürgerkrieg als in den Schulen des Kontinents. Karkow hat gesagt, wenn ich Lust hätte, könnte ich nach Kriegsschluß in Moskau auf die Leninschule gehen. Oder auf die Militärakademie der Roten Armee, falls ich dazu Lust hätte. Ich wäre neugierig, was Großvater dazu sagen würde. Großvater, der sich nie in seinem Leben wissentlich mit einem Demokraten an einen Tisch gesetzt hat.
 Nein, ich will nicht Soldat werden, dachte er. Das weiß ich genau. Damit ist es also Schluß. Ich will bloß, daß wir diesen Krieg gewinnen. Ich glaube, wirklich tüchtige Soldaten sind selten auch auf anderen Gebieten tüchtig. Das ist offensichtlich falsch. Denk an Napoleon und Wellington. Du bist heute abend sehr dumm, dachte er.
 Für gewöhnlich unterhielt er sich recht gut mit seinen Gedanken, und so war es auch heute abend gewesen, als er an seinen Großvater dachte. Aber der Gedanke an seinen Vater hatte ihn aus der Bahn geworfen. Er verstand seinen Vater, und er verzieh ihm alles und bedauerte ihn, aber er schämte sich seiner.
 Denk lieber gar nicht nach, sagte er zu sich. Bald wird Maria bei dir sein, dann brauchst du nicht mehr nachzudenken. Das ist jetzt das beste, jetzt, da alles festgelegt ist. Wenn man sich so intensiv auf etwas konzentriert hat, kann man nicht mehr haltmachen, und das Hirn beginnt zu rasen wie ein Schwungrad, wenn das Gewicht fehlt. Lieber gar nicht nachdenken!
 Aber nimm einmal an! dachte er. Nimm einfach an, daß unsere Bomber die Tankabwehrgeschütze kaputtschmeißen und die feindlichen Stellungen höllisch zudecken und daß die alten Tanks endlich einmal alle Steigungen nehmen, die es gibt, und daß der alte Golz diesen Haufen von Säufern, clochards, Vagabunden, Fanatikern und Helden, die die Quatorzième Brigade bilden, mit Fußtritten vor sich her treibt – und ich weiß, wie tüchtig Duráns Leute in der anderen Brigade sind –, und daß wir morgen abend in Segovia sind! Ja. Nimm das bloß mal an, sagte er zu sich selbst. Ich erledige La Granja. Aber jetzt wußte er plötzlich ganz genau: Du wirst die Brücke zu sprengen haben. Sie werden den Angriff nicht abblasen. Denn genauso, wie du dir jetzt eine Minute lang die Chancen des Angriffs vorgestellt hast, genauso werden die Leute sie einschätzen, die den Angriff angeordnet haben. Ja, du wirst die Brücke zu sprengen haben. Das ist jetzt klar. Einerlei, was mit Andrés passiert.
 Wie er so im Dunkeln den Pfad hinunterging, ganz allein mit dem guten Gefühl, daß für die nächsten vier Stunden alles, was zu geschehen hatte, erledigt war, und mit der neugewonnenen Zuversicht, die die Erinnerung an konkrete Dinge ihm geschenkt hatte, war es ihm ein fast tröstlicher Gedanke, daß er die Brücke ganz bestimmt würde sprengen müssen.
 Die Ungewißheit, dieses wachsende Gefühl der Unsicherheit, wie es einen überfällt, wenn man glaubt, sich im Datum geirrt zu haben, und nicht recht weiß, ob die Gäste, die man erwartet, wirklich kommen werden, dieses Gefühl, das ihn nicht losgelassen hatte, seit Andrés mit der Depesche für Golz abmarschiert war, war nun völlig von ihm gewichen. Er war nun fest davon überzeugt, daß das Fest programmäßig vonstatten gehen würde. Es ist viel besser, Gewißheit zu haben, dachte er. Es ist immer viel besser, Gewißheit zu haben.
 
  XXXI
 
 Nun lagen sie wieder beisammen im Schlafsack, und es war späte Nacht, die letzte Nacht. Maria schmiegte sich dicht an ihn an, er fühlte ihre langen, glatten Schenkel an den seinen und ihre Brüste wie zwei kleine Hügel, die sich aus der langen Ebene erheben, auf der ein Brunnen

Weitere Kostenlose Bücher