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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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nicht anrufen!« befahl er dem Telefonisten. »Gib mir den Beobachtungsposten der 69. Brigade.«
 Er wartete immer noch auf die Verbindung, als er das Surren der ersten Flugzeuge hörte.
 Und in diesem Augenblick wurde die Verbindung hergestellt. »Ja?« sagte Golz ruhig.
 Er saß da, mit dem Rücken gegen den Sandsack, die Füße gegen einen Felsblock gestemmt, eine Zigarette hing von seiner Unterlippe, und er blickte über die Schulter empor, während er ins Telefon sprach. Er sah die ausschwärmenden Dreierkeile, silbern und dröhnend am Himmel, wie sie über den fernen Bergrücken kamen, von den ersten Strahlen der Sonne beleuchtet. Er sah sie schimmernd und schön in der Sonne herankommen. Er sah die paarweise rotierenden Lichtkreise der von der Sonne beschienenen Propeller.
 »Ja«, sagte er auf französisch, weil Duval am Telefon war. » Nous sommes futus. Oui. Comme toujours. Oui. C'est dommage. Oui. Ein Jammer, daß es zu spät kam.«
 Mit stolzen Blicken betrachtete er die Flugzeuge. Er sah jetzt die roten Marken an den Flügeln, er sah, wie sie in stetem, stattlichem, dröhnendem Flug herankamen. So schön kann es sein! Das sind unsere Flugzeuge. Sie sind in Kisten auf Schiffen vom Schwarzen Meer durch das Marmara-Meer, durch die Dardanellen, durch das Mittelmeer hierhergekommen, liebevoll in Alicante ausgeladen, von geschickten Händen zusammengesetzt, überprüft und für einwandfrei erklärt worden, und nun kommen sie geflogen, mit schöner, hämmernder Präzision, in straffen, reinen V's, hoch und silbern in der Morgensonne, um die Hügelkuppen dort drüben zu bombardieren und sie unter Donnergetöse in die Luft zu jagen, damit wir durchstoßen können. Golz wußte, sowie sie über ihn weg waren, würden die Bomben zu fallen beginnen. Wie Meerschweinchen sehen die Bomben aus, wenn sie durch die Luft herabpurzeln. Und dann spritzt die Erde empor, brüllt auf in zischenden Wolken und verschwindet in einer einzigen gewaltigen wallenden Wolke. Dann knirschen die Tanks klirrend die Hänge hinauf, und ihnen folgen die zwei Brigaden. Und wenn die Überraschung glückte, könnten sie weitermarschieren, immer weiter, und dann haltmachen, das Terrain säubern, vieles wäre zu tun, auf kluge Art, während die Tanks mithelfen, hin und her rollen, Sperrfeuer geben und neue Truppen heranschleppen, und dann rollt der Angriff weiter, immer weiter, immer weiter, in das jenseitige Tal hinab. So würde es zugehen, wenn es keinen Verrat gäbe, und wenn alle das machten, was sie zu machen haben.
 Das sind die beiden Höhen, und da stehen die Tanks, und da stehen seine zwei guten Brigaden bereit, um aus dem Wald heraus vorzustoßen, und da kommen jetzt die Flugzeuge. Er hat getan, was er konnte. Wie sich's gehört.
 Aber während er die Flugzeuge beobachtete, die jetzt fast schon über ihm waren, wurde ihm übel im Magen, denn er wußte aus Jordans Depesche, die Duval ihm telefonisch durchgegeben hatte, daß auf beiden Hügelkuppen dort drüben keine Menschenseele zu finden sein wird. Sie werden sich ein gutes Stück unten in schmale Gräben zurückgezogen haben, um gegen die Splitter geschützt zu sein, oder sie werden im Wald versteckt liegen, und sobald die Bomber vorbei sind, werden sie mit ihren Maschinengewehren und ihren Schnellfeuerwaffen und den Tankabwehrgeschützen, von denen Jordan berichtet hat, zurückkehren, und die Sache wird wieder einmal mit einem berühmten Fiasko enden. Aber die Flugzeuge, die jetzt mit ohrenbetäubendem Lärm herankamen, zeigten ihm, wie es hätte sein können. Er blickte zu ihnen hinauf und sagte ins Telefon: »Non. Rien à faire. Faut pas penser. Faut accepter.«
 Golz betrachtet die Flugzeuge mit seinen harten, stolzen Augen, die wissen, wie das alles hätte kommen können, und wie es statt dessen gekommen ist, sagt, voller Stolz, in der festen Überzeugung, daß es anders hätte kommen können, auch wenn es niemals anders kommt: »Bon! Nous ferons notre petit possible«, und hängt ab.
 Aber Duval hört ihn gar nicht. Am Tisch sitzend, den Hörer in der Hand, hört er nichts als das Dröhnen der Flugzeuge, und er dachte, jetzt, diesmal vielleicht, hör zu, wie sie kommen, vielleicht werden die Bomber alles wegblasen, vielleicht wird uns der Durchbruch gelingen, vielleicht wird er die Reserven bekommen, die er verlangt hat, vielleicht gelingt es jetzt, vielleicht gelingt es diesmal. Vorwärts! Ran! Vorwärts! Der Lärm war so laut, daß er seine eigenen Gedanken nicht mehr

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