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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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dann weiter bis an das diesseitige Ende, der Wachtposten, der dort stand, sagte ein paar Worte zu ihm und machte sich dann auf den Weg. Der Mann, der abgelöst worden war, ging schneller als zuvor der andere (weil der Kaffee auf ihn wartet, dachte Robert Jordan), aber auch er spuckte in die Schlucht hinunter.
 Ob das ein Aberglaube ist? dachte Robert Jordan. Ich werde auch hinunterspucken müssen. Wenn ich dann noch Spucke habe. Nein. Es kann wohl kein sehr wirksamer Zauber sein. Unmöglich. Ich werde seine Nutzlosigkeit zu beweisen haben, bevor ich mich auf die Brücke begebe.
 Der neue Posten war in das Häuschen gegangen und hatte sich hingesetzt. Sein Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett lehnte an der Wand. Robert Jordan nahm das Fernglas aus der Hemdtasche und drehte an den Okularen, bis das Brückenende scharf und graulackiert-metallen-klar hervortrat. Dann richtete er das Glas auf das Wachthäuschen.
 Der Posten saß mit dem Rücken gegen die Wand. Sein Stahlhelm hing an einem Pflock, und sein Gesicht war deutlich zu sehen. Robert Jordan sah, daß es derselbe Mann war, der vor zwei Tagen hier die Abendwache gehabt hatte. Er trug dieselbe gestrickte Mütze. Und war unrasiert. Seine Wangen waren eingesunken, die Backenknochen traten hervor. Er hatte buschige Augenbrauen, die sich in der Mitte berührten. Er sah schläfrig aus, und Robert Jordan sah, wie er gähnte. Dann zog er einen Tabaksbeutel und ein Päckchen Zigarettenpapier aus der Tasche und drehte sich eine Zigarette. Das Feuerzeug wollte nicht funktionieren, und schließlich steckte er es ein, ging zu dem Kohlenbecken, bückte sich, griff hinein, holte ein Stück Holzkohle hervor, jonglierte es zwischen den Fingern, während er draufblies, zündete dann die Zigarette an und warf den Kohlenbrocken in das Becken zurück. Robert Jordan beobachtete durch das achtfach vergrößernde Zeissglas sein Gesicht, wie er so an der Wand des Wachthäuschens lehnte und an der Zigarette sog. Dann setzte er das Glas ab, klappte es zusammen, steckte es in die Tasche.
 Ich werde nicht mehr hinschauen, sagte er sich.
 Er lag da, beobachtete die Straße und bemühte sich, an gar nichts zu denken. In einer Kiefer weiter unten am Hang quietschte ein Eichhörnchen, und Robert Jordan sah es den Stamm herunterlaufen, plötzlich haltmachen, den Kopf drehen und zu dem Menschen hinschauen, der es beobachtete. Er sah die kleinen, hellen Äuglein und den aufgeregt zuckenden Schweif. Dann lief das Eichhörnchen mit langen, kleinpfotigen, schweifbeflügelten Sätzen über die Erde zu einem anderen Baum hinüber. Dort blickte es sich noch einmal nach Robert Jordan um, verschwand dann mit einem Ruck hinter dem Baumstamm. Eine Weile später hörte Robert Jordan sein Quietschen aus dem hohen Geäst der Kiefer und sah es dort flach ausgestreckt mit zuckendem Schweif auf dem Zweig liegen.
 Robert Jordan blickte wieder durch den Wald zu dem Wachthäuschen hinunter. Gern hätte er das Eichhörnchen bei sich in der Tasche gehabt. Gern hätte er irgend etwas gehabt, das er anrühren könnte. Er rieb die Ellbogen an den Kiefernnadeln, aber das war nicht dasselbe. Niemand weiß, wie einsam man sich fühlen kann bei dieser Arbeit. Ich aber weiß es. Hoffentlich wird das Häschen glücklich davonkommen. Jetzt Schluß damit! Ja, gewiß Schluß! Aber ich darf wohl hoffen, und ich hoffe. Daß mir die Sprengung gelingt und daß Maria davonkommt. Gut. Nur das! Mehr wünsche ich mir nicht. Er lag nun da, blickte von der Straße und dem Wachthäuschen zu dem fernen Gebirge hinüber. Einfach gar nicht denken! sagte er sich. Still lag er da und sah den Morgen grauen. Es war ein schöner Frühsommermorgen, er kam schnell heran, denn es war Ende Mai. Einmal fuhr ein Motorradfahrer in ledernem Mantel und Lederhelm mit einem Schnellfeuergewehr in einem Futteral am linken Bein über die Brücke und weiter die Straße hinauf. Einmal rollte ein Ambulanzauto über die Brücke, fuhr unten vorbei und die Straße hinauf. Aber das war auch alles. Er roch Fichtennadeln, er hörte den Fluß rauschen, die Brücke stand jetzt klar und schön im Morgenlicht. Er lag hinter dem Baumstamm, das Schnellfeuergewehr über dem linken Vorderarm, und er sah nicht mehr zu dem Wachtposten hin, bis er endlich, nachdem es ihm längst schon so vorgekommen war, als werde nichts passieren, das plötzliche, geballte Dröhnen der Bomben vernahm.
 Als Robert Jordan die Bomben vernahm, das erste dumpfe Bumsen, bevor noch das Echo

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