Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
Atem, und sagt: »Ja, Genosse Marty. Ich verstehe, was Sie meinen. Aber Ihre Wahl ist nicht richtig, und ich bin nicht einverstanden. Wenn Sie wollen, können Sie versuchen, mich zu übergehen. Ja. Sie können, wie Sie sagen, an die Partei appellieren. Aber ich bin nicht einverstanden.«
 So saß nun Marty über seiner Landkarte an dem kalten Tisch, den Kopf im grellen Licht der schirmlosen Birne, die breite Baskenmütze nach vorne geschoben, um die Augen zu schützen, neben sich eine abgezogene Kopie der Angriffsorder, die er zu Rate zog, und langsam, sorgfältig, mühevoll verfolgte er auf der Karte den Verlauf der geplanten Operation, so wie etwa ein junger Leutnant auf der Offiziersschule ein strategisches oder taktisches Problem zu lösen versucht. Er führt Krieg. Im Geist befehligt er Armeen. Er hatte das Recht zu intervenieren und glaubte, damit schon ein Befehlshaber zu sein. So saß er nun da, Robert Jordans Depesche an Golz in der Tasche, und Gómez und Andrés warteten im Wachtzimmer, und Robert Jordan lag in den Wäldern oberhalb der Brücke. Es ist zweifelhaft, ob Andrés' Mission zu anderen Ergebnissen geführt haben würde, wenn er und Gómez ihren Weg hätten fortsetzen können, ohne durch André Marty aufgehalten zu werden. Kein Mensch hier vorne an der Front besaß die nötigen Vollmachten, um den Angriff abzublasen. Die Maschinerie war schon viel zu lange in Gang, als daß man sie jetzt plötzlich hätte anhalten können. Alle einigermaßen umfangreichen militärischen Operationen haben ein großes Beharrungsvermögen. Ist erst einmal dieses Trägheitsmoment überwunden und die Bewegung hat eingesetzt, dann sind sie ebenso schwer abzustoppen, wie sie schwer in Gang zu bringen waren.
 Aber noch saß in dieser Nacht der alte Mann, die Mütze in der Stirn, am Tisch über seine Karte gebeugt, da ging die Tür auf, und der russische Journalist Karkow kam herein, begleitet von zwei anderen Russen in Zivil, in Ledermänteln und Ledermützen. Der Korporal von der Wache machte zögernd die Tür hinter ihnen zu. Karkow war der erste Verantwortliche gewesen, mit dem er sich hatte in Verbindung setzen können.
 »Towarisch Marty!« sagte Karkow mit seinem höflich geringschätzigen Lispeln und lächelte, so daß seine schlechten Zähne sichtbar wurden.
 Marty stand auf. Er konnte Karkow nicht leiden, aber Karkow, der von der Prawda kam und in direkter Verbindung mit Stalin stand, war momentan einer der drei wichtigsten Männer in Spanien. »Towarisch Karkow«, sagte er.
 »Sie bereiten wohl den Angriff vor?« sagte Karkow frech, mit einem Kopfnicken auf die Karte deutend.
 »Ich studiere ihn«, erwiderte Marty.
 »Führen Sie den Angriff? Oder führt ihn Golz ?« fragte Karkow sanft.
 »Wie Sie wissen, bin ich nur Kommissar«, sagte Marty.
 »Nein«, sagte Karkow. »Sie sind zu bescheiden. In Wirklichkeit sind Sie General. Sie haben eine Landkarte, Sie haben ein Fernglas. Aber sind Sie nicht auch einmal Admiral gewesen, Genosse Marty?«
 »Ich war Feuerwerksmaat«, sagte Marty. Das war eine Lüge. In Wirklichkeit war er zu der Zeit der Meuterei erster FeuerwerkersGehilfe gewesen. Aber er bildete sich jetzt ein, Feuerwerksmaat gewesen zu sein.
 »Ach so. Ich habe geglaubt, Sie waren erster FeuerwerkersGehilfe«, sagte Karkow. »Nie erwische ich die richtigen Fakten. Das Kennzeichen des Journalisten!«
 Die beiden anderen Russen beteiligten sich nicht an dem Gespräch. Sie blickten über Martys Schulter auf die Karte und wechselten ab und zu eine Bemerkung in ihrer Muttersprache. Marty und Karkow unterhielten sich nach der ersten Begrüßung auf französisch.
 »Es ist ratsam, in der Prawda keine Unwahrheiten zu berichten«, sagte Marty. Er sagte es in brüskem Ton, um sich wieder Haltung zu geben. Karkow verstand es, ihn im Nu von seinem Piedestal zu stürzen. Die Franzosen haben dafür einen treffenden Ausdruck: dégonfler. Sowie Marty den Russen erblickte, wurde er unruhig und mißtrauisch. Wenn Karkow sprach, war er drauf und dran zu vergessen, mit welch wichtigen Funktionen das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Frankreichs ihn, André Marty, betraut hatte. Er vergaß auch beinahe, daß er unantastbar war. Karkow fiel es anscheinend gar nicht schwer, ihn zu treffen, empfindlich zu treffen, wann immer es ihm Spaß machte. Jetzt sagte Karkow: »Ich pflege die Fakten gewöhnlich richtigzustellen, bevor ich sie an die Prawda schicke. Was ich in der Prawda schreibe, ist immer richtig. Sagen

Weitere Kostenlose Bücher