Wem die Stunde schlaegt
wandte sich den Männern zu und sagte: »Ich bin für die Brücke!« Der Feuerschein beleuchtete ihr Gesicht, es war leicht gerötet, schimmerte warm und dunkel und hübsch im Feuerschein, wie es beabsichtigt war.
»Was sagst du?« sagte Pablo zu ihr, und als er den Kopf wandte, sah Robert Jordan seine enttäuschte Miene und den Schweiß auf seiner Stirn. »Ich bin für die Brücke und gegen dich«, sagte Pablos Weib. »Weiter nichts.«
»Auch ich bin für die Brücke«, sagte der Mann mit dem platten Gesicht und der gebrochenen Nase und drückte den Stummel der Zigarette auf der Tischplatte aus.
»Mir ist die Brücke ganz egal«, sagte einer der Brüder. »Ich bin für die mujer von Pablo.«
»Ebenfalls«, sagte der andere Bruder.
»Ebenfalls«, sagte der Zigeuner.
Robert Jordan beobachtete Pablo, und seine rechte Hand tastete sich allmählich immer tiefer, um bereit zu sein, falls es nötig sein würde, halb in der Hoffnung, es würde nötig sein (in dem Gefühl vielleicht, daß das das Einfachste und Bequemste wäre, obwohl er nicht verderben wollte, was so gut begonnen hatte, denn er wußte, wie schnell eine Familie, ein Clan, eine Bande sich im Streit gegen den Fremden kehren kann, aber zugleich überlegend, daß das, was seine Hand ausrichten könnte, jetzt, da das alles passiert war, vielleicht das Einfachste und Beste und chirurgisch Gesündeste wäre), und er sah zugleich Pablos Weib dastehen und erröten, stolz, brav, ehrlich, als sie hörte, wie die Männer sich zu ihr bekannten.
»Ich bin für die Republik«, sagte Pablos Frau zufrieden. »Und die Republik ist die Brücke. Nachher haben wir Zeit für andere Pläne.«
»Und du!« sagte Pablo erbittert. »Du mit dem Kopf eines Zuchtstiers und dem Herz einer Hure! Du glaubst, es wird ein Nachher geben, wenn die Brücke vorbei ist? Du hast eine Ahnung, was passieren wird.«
»Was passieren muß«, sagte Pablos Weib. »Was passieren muß, wird passieren.«
»Und es macht dir nichts aus, dich wie ein Vieh hetzen zu lassen, wegen dieser Geschichte, die uns gar nichts einbringt? Oder dabei zu krepieren?«
»Nichts«, sagte Pablos Weib. »Und versuch nicht, mich zu schrecken, du Feigling.«
»Feigling«, sagte Pablo bitter. »Für euch ist jeder ein Feigling, der etwas von Taktik versteht. Der im voraus kennt, wohin eine dumme Sache führt. Man ist nicht feige, wenn man weiß, was dumm ist.«
»Und man ist nicht dumm, wenn man weiß, was feige ist«, sagte Anselmo. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, diesen Satz zu formulieren.
»Willst du sterben?« fragte Pablo ernst, und Robert Jordan merkte, daß das keineswegs nur eine rhetorische Frage war.
»Nein.«
»Dann hüte deine Zunge. Du redest zuviel über Dinge, die du nicht verstehst. Begreifst du denn nicht, daß das ernst ist?« sagte er in fast jammerndem Ton. »Bin ich der einzige, der begreift, wie ernst das ist?«
Sehr wahrscheinlich, dachte Robert Jordan. Sehr wahrscheinlich, Pablo, alter Knabe. Außer mir. Du begreifst es, und ich begreife es, und die Frau hat es in meiner Hand gelesen, aber sie begreift es noch nicht. Noch begreift sie es nicht.
»Bin ich umsonst euer Führer?« fragte Pablo. »Ich weiß, was ich rede. Ihr wißt es nicht. Der Alte da schwatzt dummes Zeug. Er ist ein alter Mann, weiter nichts als ein Botengänger und ein Führer für die Fremden. Dieser Fremde ist hierher gekommen, um etwas für die Fremden Nützliches zu tun. Zu seinem Nutzen sollen wir uns opfern. Ich bin für das, was allen nützt und Sicherheit bringt.«
»Sicherheit«, sagte Pablos Weib. »So etwas gibt es gar nicht. Hier laufen jetzt so viele herum, die Sicherheit suchen, daß sie schon eine große Gefahr sind. Wenn du jetzt Sicherheit suchst, wirst du alles verlieren.« Sie stand am Tisch, einen großen Löffel in der Hand.
»Es gibt Sicherheit«, sagte Pablo. »In der Gefahr ist man sicher, wenn man die Chancen einzuschätzen weiß. Ein Stierkämpfer, der weiß, was er tut, riskiert gar nichts und ist in Sicherheit.«
»Bis er aufgespießt wird«, sagte die Frau bitter. »Wie oft habe ich die Matadore so reden hören, bevor sie aufgespießt wurden. Wie oft habe ich Finito sagen hören, nur die Klugheit macht's, und der Stier hat den Kerl gar nicht aufgespießt, sondern der Kerl hat sich selber auf dem Hörn des Stiers aufgespießt. Immer reden sie so daher, in ihrem Hochmut, bevor sie aufgespießt werden. Nachher besuchen wir sie im Spital.« Nun spielte sie den
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