Wem die Stunde schlaegt
ich faul bin und daß ich zuviel saufe. Du kannst mich auch für einen Feigling halten, aber da irrst du dich. Aber auf jeden Fall bin ich nicht dumm.« Er machte eine Pause. »Auf daß du befehlen sollst, und auf daß es dir Spaß machen soll! Und wenn du nicht nur Befehlshaber, sondern auch ein Weib bist, wollen wir was zu essen haben.«
»Maria!« rief Pablos Weib. Das Mädchen steckte den Kopf zum Eingang der Höhle herein.
»Komm jetzt herein und stell das Essen auf den Tisch.«
Das Mädchen trat ein, ging zu dem niedrigen Tisch neben dem Herd, nahm die emaillierten Schüsseln und trug sie zum Tisch.
»Es ist Wein genug da für alle«, sagte Pablos Weib zu Robert Jordan. »Achte nicht auf das, was dieser Saufbold sagt. Wenn der hier alle ist, holen wir frischen. Trink das sonderbare Zeug aus, das du da trinkst, und nimm eine Tasse Wein.«
Robert Jordan goß den Rest des Absinths hinunter. Er fühlte, wie dieser hastige Schluck eine kleine, dampfende, feuchte, chemisch aktive Wärme in ihm erzeugte, und dann schob er die Tasse dem Mädchen hin, die sie lächelnd mit Wein füllte.
»Hast du nun die Brücke gesehen?« fragte der Zigeuner. Die anderen, die nach ihrem Frontwechsel den Mund nicht mehr aufgemacht hatten, beugten sich nun vor, um zuzuhören.
»Ja«, sagte Robert Jordan. »Es ist ganz leicht. Soll ich es euch zeigen?«
»Ja, Mann. Es interessiert uns sehr.«
Robert Jordan holte das Notizbuch aus der Hemdtasche und zeigte ihnen die Skizzen.
»Schau, wie das aussieht!« sagte der Plattgesichtige. Er hieß Primitivo. »Es ist die Brücke selbst.«
Robert Jordan demonstrierte nun mit der Spitze des Bleistifts, wie man es anzustellen habe, um die Brücke in die Luft zu sprengen, und warum die Ladungen so und nicht anders placiert werden müssen.
»Welche Einfachheit!« sagte der Bruder mit dem Narbengesicht. Er hieß Andrés. »Und wie bringst du sie zum Explodieren?«
Auch das erklärte ihnen Robert Jordan, und während er es ihnen zeigte, fühlte er des Mädchens Arm auf seiner Schulter ruhen. Auch Pablos Weib schaute aufmerksam zu. Nur Pablo selbst blieb völlig teilnahmslos. Er saß ganz allein da, vor einer Tasse Wein, die er von Zeit zu Zeit in den großen Napf tauchte, welchen Maria aus dem Weinschlauch gefüllt hatte, der links neben dem Eingang der Höhle hing.
»Hast du so etwas schon oft gemacht?« fragte das Mädchen Robert Jordan mit leiser Stimme.
»Ja.«
»Und können wir sehen, wie es gemacht wird?«
»Ja. Warum nicht?«
»Du wirst es schon sehen«, sagte Pablo vom anderen Ende des Tisches her. »Ich bin überzeugt, du wirst es sehen.«
»Halt's Maul!« sagte Pablos Weib, und da ihr plötzlich einfiel, was sie am Nachmittag in Jordans Hand gelesen hatte, überkam sie mit einem Male ein wilder, sinnloser Zorn.
»Halt's Maul, du Feigling! Halt's Maul, du Unglücksvogel! Halt's Maul, du Mörder!«
»Gut«, sagte Pablo. »Ich halt's Maul. Du bist es jetzt, die befiehlt. Schaut euch nur weiter die hübschen Bildchen an. Aber vergiß nicht, ich bin nicht dumm.«
Pablos Weib fühlte, wie ihr Zorn sich in Trauer verwandelte, in ein Gefühl enttäuschter Hoffnung, enttäuschter Versprechungen. Sie kannte dieses Gefühl aus ihrer Jugendzeit, und sie wußte, was das für Dinge waren, die ihr Leben lang, stets von neuem, dieses selbe Gefühl in ihr erzeugt hatten. Nun kam es plötzlich über sie, und sie schob es von sich weg und wollte nicht zulassen, daß es sie anrühre, weder sie noch die Republik, und sie sagte: »Jetzt wollen wir essen. Füll die Schüsseln aus dem Topf!«
V
Robert Jordan schob die Satteldecke beiseite, die vor dem Eingang der Höhle hing, er trat hinaus und atmete tief die kalte Nachtluft ein. Der Nebel hatte sich gelichtet, und die Sterne standen am Himmel. Es war windstill, und nun, entronnen der heißen Luft in der Höhle, die schwer war vom Rauch des Tabaks und der Holzkohlen, schwer vom Geruch des gekochten Fleisches und Reises, des Safrans, des Nelkenpfeffers und Öls, vom teerigen, weingetränkten Geruch des großen Schlauchs, der am Eingang hing, am Halse hängend und die vier Beine gespreizt, und Wein aus einem Spund gezapft, der in dem einen Bein steckt, Wein, ein wenig auf dem Erdboden verschüttet, den Staubgeruch verdrängend – entronnen jetzt den Düften der vielen Kräuter, deren Namen er nicht kannte, die in Büscheln von der Decke hingen, neben langen Schnüren Knoblauch, fern von dem Rotwein und Knoblauch,
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