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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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heller Lichtschein fiel heraus. Jemand kam auf die beiden zu.
 »Eine schöne Nacht«, sagte der Mann mit schwerer, dumpfer Stimme. »Wir bekommen gutes Wetter.«
 Es war Pablo.
 Er rauchte eine der russischen Zigaretten, und im Schimmer der aufglimmenden Zigarette war sein rundes Gesicht zu sehen. Sie sahen auch im Sternenlicht seinen schweren, langarmigen Körper.
 »Achte nicht auf das Weib!« sagte er zu Robert Jordan. Im Dunkeln glühte hell das Ende der Zigarette, dann sah man sie zwischen seinen Fingern, wie er sie aus dem Mund nahm. »Manchmal ist sie schwer zu behandeln. Sie ist eine brave Frau. Hält treu zur Republik.« Das Glimmlicht der Zigarette schwankte leicht hin und her, während er sprach. Er hat wohl die Zigarette im Mundwinkel, dachte Robert Jordan. »Wozu Schwierigkeiten? Wir sind uns einig. Ich bin froh über dein Kommen.« Die Zigarette schimmerte hell. »Achte nicht auf Zänkereien!« sagte er. »Du bist hier sehr willkommen.« Dann sagte er: »Entschuldige mich jetzt. Ich will nachsehen, wie sie die Pferde angepflockt haben.«
 Er entfernte sich zwischen den Bäumen nach dem Rand der Lichtung hin, und sie hörten aus der Tiefe ein Pferd wiehern.
 »Siehst du?« sagte der Zigeuner. »Siehst du es jetzt? So ist die Gelegenheit wieder entschlüpft.«
 Robert Jordan schwieg.
 »Ich gehe hinunter«, sagte der Zigeuner zornig.
 »Wozu?«
 » Qué va, wozu? Um wenigstens zu verhindern, daß er durchbrennt.«
 »Kann er von dort unten zu Pferd entwischen?«
 »Nein.«
 »Dann stell dich oben hin, wo es Zweck hat.«
 »Dort steht Agustín.« »Dann geh und sprich mit Agustín. Erzähle ihm, was geschehen ist.«
 »Agustín wird ihn mit Vergnügen töten.«
 »Nicht übel«, sagte Robert Jordan. »Dann geh hinauf und erzähle ihm alles.«
 »Und dann?«
 »Ich gehe zur Lichtung hinunter.«
 »Gut, Mann, gut.« Er konnte Rafaels Gesicht im Finstern nicht sehen, aber er fühlte Rafaels Lächeln. »Jetzt hast du deine Lenden gegürtet«, sagte der Zigeuner beifällig.
 »Geh zu Agustín«, wiederholte Robert Jordan.
 »Ja, Roberto, ja«, sagte der Zigeuner.
 Robert Jordan tastete sich von Baum zu Baum bis an den Rand der Wiese. Das Licht der Sterne ruhte über der Lichtung, und Robert Jordan sah die dunklen Umrisse der angepflockten Gäule. Er zählte sie, wie sie verstreut zwischen ihm und dem Bach grasten. Fünf. Dann setzte er sich an den Fuß einer Kiefer und behielt die Wiese im Auge.
 Ich bin müde, dachte er, und vielleicht ist mein Urteil nicht richtig. Aber für mich gibt es nur eine Pflicht, die Brücke, und ich darf mich nicht unnütz in Gefahr bringen, bevor ich meine Pflicht erfüllt habe. Freilich ist es manchmal gefährlicher, einer Chance, die man eigentlich ausnützen müßte, aus dem Wege zu gehen, aber bisher habe ich es immer so gehalten und stets versucht, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Wenn es stimmt, was der Zigeuner sagt, daß sie von mir erwarteten, ich würde Pablo töten, dann hätte ich es tun müssen. Aber das war mir nicht klar. Schlimm für einen Fremden, wenn er zur Waffe greifen muß, unter Menschen, mit denen er nachher arbeiten soll. Im Kampf selbst kann man so etwas tun, oder auch dann, wenn man genügend disziplinierte Leute hinter sich hat, aber in diesem Falle, glaube ich, wäre es falsch gewesen, obgleich die Versuchung groß war und die Prozedur anscheinend sehr kurz und einfach. Aber ich glaube nicht, daß irgend etwas in diesem Lande so kurz oder so einfach sein kann, und obwohl ich zu der Frau völliges Vertrauen habe, weiß ich nicht recht, wie sie auf eine so drastische Handlungsweise reagieren würde. Ein Sterbender an einem solchen Ort kann sehr häßlich, schmutzig und abstoßend wirken. Man weiß nicht, wie sie reagieren würde. Ohne die Frau aber habe ich weder Organisation noch Disziplin, und habe ich die Frau auf meiner Seite, dann kann alles noch gut gehen. Es wäre ideal, wenn sie oder der Zigeuner (aber der wird es nicht tun) oder der Wachtposten Agustín ihn umbringen würde. Anselmo würde es tun, wenn ich es von ihm verlangte, obwohl er behauptet, daß er gegen jedes Töten ist. Ich glaube, er haßt ihn, und er hat bereits Vertrauen zu mir und sieht in mir den Vertreter dessen, woran er glaubt. Soviel ich sehen kann, glauben nur er und die Frau wirklich an die Republik, aber es ist noch zu früh, um das genau festzustellen. Als seine Augen sich an das Sternenlicht gewöhnten, sah er Pablo neben einem der Pferde stehen.

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