Wem die Stunde schlaegt
wegen einer bloßen Geschichte«, erwiderte Maria. »Glaubst du, nach allem, was mit uns geschehen ist, werde ich wegen einer Geschichte schlecht träumen?«
»Vielleicht aber wird der Inglés schlecht träumen.«
»Versuch's.«
»Nein, Inglés, ich scherze nicht. Hast du den Anfang der Bewegung in irgendeiner kleinen Stadt miterlebt?«
»Nein«, sagte Robert Jordan.
»Dann hast du nichts erlebt. Du hast gesehen, was für ein Jammerlappen Pablo heute ist, aber du hättest ihn damals sehen müssen.«
»Erzähle!« »Nein. Ich will nicht.«
»Erzähle!«
»Gut, also. Ich werde alles erzählen, genauso wie es war. Aber du, guapa, mußt mich unterbrechen, wenn es dir lästig wird.«
»Wenn es mir lästig wird, werde ich nicht hinhören«, sagte Maria. »Es kann nicht schlimmer sein als so vieles.«
»Ich glaube doch!« sagte die Frau. »Gib mir noch eine Zigarette, Inglés, und vamonos.«
Das Mädchen legte sich rücklings in das Heidekraut am Ufer des Baches, Robert Jordan streckte die Beine aus, die Schultern auf der Erde und den Kopf auf einem Büschel Heidekraut. Dann langte er nach Marias Hand und hielt sie fest und rieb ihrer beider Hände an dem Heidekraut, bis sie ihre Hand öffnete und sie flach auf die seine legte, während beide zuhörten.
»Es war am frühen Morgen, als die civiles in der Kaserne die Waffen streckten«, begann Pilar.
»Hattet ihr die Kaserne angegriffen?« fragte Robert Jordan.
»Pablo hatte sie im Dunkel der Nacht umzingeln lassen, die Telefondrähte durchschnitten, Dynamit unter die eine Mauer gelegt und die guardias civiles aufgefordert, sich zu ergeben. Sie weigerten sich. Und bei Tagesanbruch ließ er die Mauer in die Luft fliegen. Es kam zum Krach. Zwei civiles fielen, vier wurden verwundet und vier ergaben sich.
Wir lagen alle auf Dächern und auf der Erde und hinter Mauern und Häuserecken, im frühen Morgenlicht, und die Staubwolke von der Explosion hatte sich nicht verzogen, denn sie stieg hoch in die Luft empor, und es war kein Wind da, der sie weggeblasen hätte, und wir hielten die Bresche unter Feuer, luden und feuerten in den Rauch hinein, und immer noch blitzten die Schüsse des Gegners, und dann kam ein Schrei aus dem Rauch, daß wir nicht mehr schießen sollten, und die vier civiles kamen mit erhobenen Händen heraus. Ein großer Teil des Dachs war eingestürzt, und die Wand war weg, und sie kamen heraus, um sich zu ergeben. ›Sind noch mehr drinnen?‹ rief Pablo.
›Verwundete.‹
›Bewacht sie‹, sagte Pablo zu vier von unseren Leuten, die aus der Feuerstellung herangekommen waren. Und zu den civiles: ›Stellt euch dort gegen die Wand.‹ Die vier civiles standen an der Wand, schmutzig, staubig, rauchgeschwärzt, die vier Wächter hielten die Gewehre auf sie gerichtet, während Pablo und die anderen in die Kaserne gingen, um die Verwundeten zu erledigen.
Als das vorüber war und man nichts mehr von den Verwundeten hörte, kein Stöhnen, kein Aufschreien und auch keine Schüsse mehr, kam Pablo mit seinen Leuten heraus, und Pablo hatte sein Schrotgewehr über den Rücken gehängt und hielt eine Mauserpistole in der Hand.
›Schau, Pilar!‹ sagte er. ›Diese Pistole hatte der Offizier in der Hand, der sich erschossen hat. Ich habe noch nie eine Pistole abgefeuert. Du‹, sagte er zu einem der civiles , ›zeige mir, wie so was funktioniert. Nein. Zeige es mir nicht. Sag es mir.‹
Während in der Kaserne die Schüsse knallten, hatten die vier civiles schwitzend und stumm an der Wand gestanden. Es waren lauter hochgewachsene Kerle mit den richtigen Gesichtern der guardias civiles , die vom gleichen Modell sind wie mein Gesicht. Nur waren ihre Gesichter mit kleinen Stoppeln bedeckt, weil sie sich an diesem ihrem letzten Morgen noch nicht rasiert hatten, und sie standen da an der Wand und schwiegen.
›Du‹, sagte Pablo zu dem, der ihm am nächsten stand. ›Sag mir, wie das Ding funktioniert.‹
›Klapp den kleinen Hebel hinunter, erwiderte der Mann mit ganz trockener Stimme. ›Zieh den Verschluß zurück und laß ihn nach vorne schnappen.‹ ›Was ist das, der Verschluß?‹ fragte Pablo und sah die vier civiles an. ›Welches ist der Verschluß?‹
›Der obere bewegliche Teil.‹
Pablo zog den Verschluß zurück, aber er blieb stecken. ›Was jetzt?‹ sagte er. ›Jetzt hat es sich verhakt. Du hast mich angelogen.‹
›Zieh ihn noch weiter zurück und laß ihn dann leicht nach vorne schnappen‹, sagte der
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