Wem die Stunde schlaegt
Brücken?«
»Es ist nötig. Soviel ich weiß. Zweierlei ist nötig. Wir müssen von hier weg, und wir müssen siegen. Die Brücken sind nötig, wenn wir siegen wollen.«
»Wenn Pablo so schlau ist, warum sieht er das nicht ein?«
»Er möchte, daß alles so bleibt, wie es ist – das ist bequem für seine Schwäche. Er möchte in dem Tümpel seiner eigenen Schlappheit bleiben. Aber der Fluß steigt. Wenn er gezwungen ist, eine Änderung vorzunehmen, dann wird seine Schlauheit wieder erwachen. Es muy vivo.«
»Es ist gut, daß der Junge ihn nicht getötet hat.«
» Qué va. Gestern nacht wollte der Zigeuner von mir, daß ich ihn töte. Der Zigeuner ist ein Tier.«
»Du bist auch ein Tier«, sagte sie. »Aber klug.«
»Wir sind beide klug«, sagte Agustín. »Aber das Talent hat Pablo!«. »Aber es ist schwer, mit ihm auszukommen. Du weißt nicht, wie schlimm es mit ihm steht.«
»Ja. Aber das Talent. Sieh mal, Pilar. Um Krieg zu führen, braucht man weiter nichts als Klugheit. Aber um zu siegen, braucht man Talent und Material.«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte sie. »Wir müssen jetzt aufbrechen. Es wird spät.« Dann rief sie mit erhobener Stimme: »Engländer! Inglés! Vorwärts! Gehen wir!«
X
»Wir wollen rasten«, sagte Pilar zu Robert Jordan. »Setz dich, Maria, wir wollen rasten.«
»Wir sollten lieber weitermarschieren«, sagte Robert Jordan, »und rasten, wenn wir angelangt sind. Ich muß mit diesem Mann sprechen.«
»Du wirst mit ihm sprechen«, sagte die Frau. »Es hat keine Eile. Setz dich hier hin, Maria!«
»Komm!« sagte Robert Jordan. »Rasten wir, wenn wir oben sind.«
»Ich will jetzt rasten«, sagte die Frau und setzte sich an das Ufer des Baches. Das Mädchen saß neben ihr im Heidekraut, die Sonne schien auf ihr Haar. Robert Jordan blieb stehen und ließ seine Blicke über die Bergwiese schweifen, durch die der Forellenbach lief. Heidekraut wuchs unter seinen Füßen, graue Steinblöcke ragten aus dem gelben Farnkraut hervor, das auf dem tiefer gelegenen Teil der Wiese das Heidekraut verdrängte, und ein Stück weiter unten war die dunkle Kontur des Waldes zu sehen.
»Wie weit ist es noch bis zu El Sordos Lager?« fragte er.
»Nicht weit«, erwiderte die Frau. »Quer durch dieses freie Gelände, dann hinunter in das nächste Tal und hinauf durch den Wald bis zur Quelle des Baches. Setz dich und vergiß deinen Ernst.«
»Ich will mit ihm reden und die Sache hinter mir haben.«
»Ich will meine Füße baden«, sagte die Frau. Sie zog die Schuhe und den einen dicken Wollstrumpf aus und steckte den rechten Fuß ins Wasser. »Mein Gott, ist das kalt!«
»Wir hätten doch Pferde nehmen sollen«, sagte Robert Jordan.
»Mir tut das gut«, sagte die Frau. »Mir hat das schon lange gefehlt. Was hast du bloß?«
»Nichts, aber ich habe es eilig.«
»Dann beruhige dich, wir haben Zeit genug. Wie schön der Tag ist, und wie froh ich bin, daß ich nicht zwischen den Kiefern stecke! Du kannst dir nicht vorstellen, wie man Kiefern satt kriegen kann. Hast du die Kiefern noch nicht satt, guapa ?«
»Ich habe sie gern«, sagte das Mädchen.
»Was kannst du an ihnen gern haben?«
»Ich habe den Duft gern und die Nadeln unter den Füßen. Ich habe den Wind gern in den Wipfeln und das Knirschen, wenn die Stämme sich aneinander reiben.«
»Du hast alles gern«, sagte Pilar. »Du bist ein Geschenk für jeden Mann – wenn du bloß ein bißchen besser kochen könntest! Aber die Kiefer macht den Wald voller Langeweile. Du hast noch nie einen Buchenwald gesehen oder einen Eichenwald oder einen Kastanienwald. Das sind Wälder! In solchen Wäldern ist jeder Baum anders als der andere, da gibt es Charakter und Schönheit. Ein Kiefernwald ist die reine Langeweile. Was meinst du, Inglés?«
»Auch ich liebe die Kiefern.«
»Pero, venga«, sagte Pilar. »So seid ihr zu zweit. Auch ich habe die Kiefern ganz gern. Aber wir sitzen schon zu lange zwischen diesen Kiefern. Und außerdem habe ich die Berge satt. In den Bergen gibt es nur zwei Richtungen, hinunter und hinauf, und hinunterzu geht's zur Straße und zu den Städten der Faschisten.«
»Kommst du nie nach Segovia?«
»Qué va. Mit diesem Gesicht! Dieses Gesicht kennt man. Möchtest du gern häßlich sein, du Schöne?«
»Du bist nicht häßlich.«
» Vamos, ich bin nicht häßlich! Ich bin schon häßlich zur Welt gekommen. Mein Leben lang bin ich häßlich gewesen. Du, Inglés, der nichts
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