Wem die Stunde schlaegt
der Menschen, wie sie sich durch die Tür drängten, und den Besoffenen, wie er vor mir saß und sich die Stelle hielt, wo ich hingeschlagen hatte. Damit ging das Totschlagen der Faschisten in unserer Stadt zu Ende, und ich war froh, daß ich nicht mehr alles mitansehen mußte, und ohne diesen Besoffenen hätte ich alles gesehen. So war er doch zu etwas gut, denn das, was sich im Ayuntamiento abspielte, das will man lieber nicht gesehen haben. Aber der andere Besoffene war noch viel komischer. Als wir aufstanden, nachdem der Stuhl zusammengebrochen war, und die Leute strömten immer noch ins Ayuntamiento , da sah ich den Besoffenen auf dem Platz mit seinem schwarzroten Halstuch, wie er wieder etwas auf Don Anastasio goß. Sein Kopf wackelte hin und her, und es fiel ihm schwer, aufrecht zu sitzen, aber er goß und zündete Streichhölzer an und goß und zündete Streichhölzer an, und ich ging zu ihm hin und sagte: ›Was machst du, du schamloses Schwein?‹ ›Nada, mujer, nada‹, sagte er. ›Laß mich in Ruhe.‹
Und vielleicht, weil ich so dastand, daß meine Beine einen Schutz boten gegen den Wind, ging das Streichholz an, und eine blaue Flamme lief am Rock des Don Anastasio entlang bis in seinen Nacken, und der Besoffene hob den Kopf und schrie mit lauter Stimme: ›Man verbrennt die Toten! Man verbrennt die Toten!‹
›Wer?‹ fragte jemand.
›Wo?‹ schrie ein anderer.
›Hier!‹ brüllte der Besoffene. ›Gerade hier!‹
Dann versetzte jemand dem Besoffenen einen heftigen Hieb mit dem Dreschflegel auf den Kopf, und er fiel um und schaute zu dem Mann auf, der ihn geschlagen hatte, und dann machte er die Augen zu und verschränkte die Arme über der Brust und lag neben Don Anastasio, als ob er schliefe. Es blieb bei dem einen Hieb, und er lag da, und er blieb liegen und lag auch dann noch da, als sie Don Anastasio aufhoben und ihn mit den übrigen auf den Karren warfen, der sie alle zu der Klippe beförderte, wo sie in den Fluß geworfen wurden, abends, nachdem man im Ayuntamiento aufgeräumt hatte. Es wäre für die Stadt besser gewesen, wenn man zwanzig oder dreißig von den Besoffenen mit hinuntergeschmissen hätte, besonders die mit den schwarzroten Halstüchern, und wenn wir jemals wieder eine Revolution machen, dann bin ich dafür, daß man sie gleich zu Anfang vertilgt. Aber damals wußte ich das nicht. Aber ein paar Tage später sollten wir's begreifen. Aber an diesem Abend wußten wir nicht, was uns bevorstand. Nach der Schlächterei im Ayuntamiento war das Morden zu Ende, aber wir konnten keine Versammlung abhalten, weil zu viel Leute besoffen waren. Es war unmöglich, Ordnung zu schaffen, und deshalb wurde die Versammlung auf den nächsten Tag verschoben. In der Nacht schlief ich bei Pablo. Ich sollte dir das gar nicht erzählen, guapa, aber andererseits ist es gut für dich, wenn du alles weißt, und was ich erzähle, ist wenigstens wahr. Hör zu, Inglés. Es ist sehr sonderbar.
Wie gesagt, nachts aßen wir, und es war sehr sonderbar. Es war wie nach einem Gewitter oder einer Überschwemmung oder wie nach einer Schlacht, und alle waren müde, und keiner redete viel. Ich selbst kam mir wie ausgehöhlt vor und fühlte mich nicht wohl, ich schämte mich, ich hatte ein schlechtes Gewissen, ich war bedrückt und hatte ein schlimmes Vorgefühl von nahem Unheil, so wie heute morgen, als die Flugzeuge vorüberflogen, und richtig, binnen drei Tagen war das Unheil da.
Beim Essen sprach Pablo sehr wenig.
›Hat es dir gefallen, Pilar?‹ fragte er schließlich, den Mund voller Lammbraten. Wir saßen in dem Wirtshaus, von dem die Busse abgehen, das Wirtshaus war überfüllt, und die Leute sangen, und die Kellner hatten es gar nicht leicht.
›Nein‹, sagte ich. ›Bis auf Don Faustino hat es mir nicht gefallen.‹
›Mir hat es gefallen«, sagte er.
›Alles?‹ fragte ich ihn.
›Alles‹, sagte er, schnitt sich mit seinem Messer ein großes Stück Brot ab und begann den Bratensaft aufzutunken, ›alles bis auf den Pfarrer.‹ ›Bis auf den Pfarrer?‹ Ich wußte doch, daß ihm die Pfaffen verhaßter waren als die Faschisten.
›Es war für mich eine Enttäuschung‹, sagte Pablo melancholisch.
So viele Leute sangen im Wirtshaus, daß wir fast schreien mußten, um einander zu verstehen.
›Warum?‹
›Er ist nicht schön gestorben‹, sagte Pablo. ›Er hatte sehr wenig Würde.‹
›Verlangst du von ihm Würde, wenn der Pöbel hinter ihm herjagt?‹ sagte ich. ›Ich
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