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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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dann wieder vorwärts und warf sich abermals in die Rücken der Leute, die sich vor dem Tor drängten, und schrie: ›Hoch soll ich leben und hoch die Anarchie!‹
 Während ich ihm noch zuschaute, drehte er sich um und ging weg und setzte sich hin und trank aus einer Flasche, und dann, als er dort saß, erblickte er Don Anastasio, der immer noch mit dem Gesicht nach unten auf den Steinen lag, aber sie hatten schon viel auf ihm herumgetrampelt, und der Besoffene stand auf und ging zu Don Anastasio hinüber und bückte sich und goß etwas aus der Flasche auf den Kopf Don Anastasios und auf seine Kleider, und dann holte er eine Streichholzschachtel aus der Tasche und zündete ein Streichholz nach dem anderen an und versuchte, Don Anastasio in Brand zu stecken. Aber es wehte jetzt ein ziemlich starker Wind, und der blies die Streichhölzer aus, und nach einer Weile setzte der dicke Besoffene sich neben Don Anastasio hin, schüttelte den Kopf, trank aus der Flasche, und ab und zu beugte er sich vor und klopfte dem toten Don Anastasio auf die Schulter.
 Inzwischen schrie die Menge unaufhörlich, man solle aufmachen, und der Mann neben mir auf dem Stuhl hielt sich an dem Gitter fest und schrie, sie sollen aufmachen, bis ich schon ganz taub war von dem Gebrüll seiner Stimme an meinem Ohr, und sein Atem stank mir in die Nase, und ich schaute von dem Besoffenen weg, der den toten Don Anastasio hatte anzünden wollen, und schaute wieder in den Saal des Ayuntamiento hinein, und es hatte sich nichts verändert. Sie beteten immer noch, kniend, die Hemden offen, einige hielten den Kopf gesenkt, andere hielten ihn hoch und schauten den Priester an und das Kruzifix in seinen Händen. Und der Pfarrer betete schnell und eifrig und blickte über ihre Köpfe hinweg, und hinter ihnen saß Pablo mit der brennenden Zigarette im Mund, seine Beine baumelten über den Tischrand, die Flinte hing auf seinem Rücken, und er spielte mit dem Schlüssel. Ich sah, wie Pablo wieder etwas zu dem Pfarrer sagte, wobei er sich vorbeugte, und ich konnte nicht hören, was er sagte, wegen des Geschreis. Aber der Pfarrer gab keine Antwort, sondern betete weiter. Dann stand einer auf aus dem Halbkreis der Betenden, und ich sah, daß er hinauswollte. Es war Don José Castro, den sie alle Don Pepe nannten, ein überzeugter Faschist, ein Pferdehändler, und jetzt stand er da, ziemlich klein, sah nett aus, obwohl er unrasiert war, hatte eine graugestreifte Hose an und eine Pyjamajacke, die er in die Hose gestopft hatte. Er küßte das Kruzifix, und der Pfarrer segnete ihn, und er stand auf und sah Pablo an und deutete mit dem Kopf nach der Tür.
 Pablo schüttelte den Kopf und rauchte weiter. Ich konnte sehen, wie Don Pepe etwas zu Pablo sagte, aber ich konnte ihn nicht hören.
 Pablo gab keine Antwort, er schüttelte bloß abermals den Kopf und deutete mit einem Nicken nach der Tür.
 Dann sah ich, wie Don Pepe jetzt erst richtig zur Tür hinsah, und da merkte ich, daß er nicht gewußt hatte, daß sie versperrt war. Pablo zeigte ihm den Schlüssel, und er stand einen Augenblick lang da und sah den Schlüssel an, und dann drehte er sich um und kniete wieder hin. Ich sah, wie der Pfarrer sich zu Pablo umdrehte und Pablo ihn angrinste und ihm den Schlüssel zeigte, und der Pfarrer schien jetzt erst zu merken, daß die Tür versperrt war, und es sah aus, als wollte er den Kopf schütteln, aber er neigte ihn bloß ein wenig und machte sich wieder ans Beten. Ich weiß nicht, warum sie nicht gemerkt hatten, daß die Tür versperrt war, aber sie waren wohl viel zu sehr mit ihrem Beten und ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Jetzt hatten sie es gemerkt, und sie wußten jetzt, was das Geschrei bedeutete, und sie müssen gewußt haben, daß jetzt alles anders geworden war. Aber sie benahmen sich nicht anders als vorher.
 Das Geschrei war jetzt schon so laut, daß man gar nichts mehr hören konnte, und der Besoffene, der neben mir auf dem Stuhl stand, rüttelte an dem Gitter und schrie: ›Aufmachen! Aufmachen!‹, bis er heiser wurde.
 Ich sah, wie Pablo wieder etwas zu dem Pfarrer sagte und der Pfarrer keine Antwort gab. Dann sah ich, wie Pablo die Flinte vom Rücken nahm und mit dem Lauf dem Pfarrer auf die Schulter klopfte. Der Pfarrer kümmerte sich gar nicht um ihn, und ich sah Pablo den Kopf schütteln. Dann sagte er etwas über die Achsel zu Cuatro Dedos, und Cuatro Dedos sagte etwas zu den übrigen Wachtposten, und sie standen alle auf, zogen sich an das

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