Wem die Stunde schlaegt
finde, die ganze Zeit vorher hat er sich sehr würdig benommen. So würdig, wie man sich nur benehmen kann.‹
›Ja‹, sagte Pablo. ›Aber im letzten Augenblick bekam er Angst.‹
›Wer hätte nicht Angst bekommen?‹ sagte ich. ›Hast du gesehen, womit sie ihn jagten?‹
›Wieso soll ich es nicht gesehen haben?‹ fragte Pablo. ›Aber ich finde, er ist nicht schön gestorben.‹
›Unter solchen Umständen stirbt keiner schön‹, sagte ich. ›Was verlangst du für dein Geld? Alles, was im Ayuntamiento geschah, war abscheulich roh.‹
›Ja‹, sagte Pablo. ›Es war schlecht organisiert. Aber ein Pfarrer! Ein Pfarrer muß ein Beispiel geben.‹
›Ich dachte, du kannst die Pfaffen nicht ausstehen.‹
›Ja‹, sagte Pablo und schnitt sich noch ein Stück Brot ab. ›Aber ein spanischer Pfarrer! Ein spanischer Pfarrer sollte schön sterben.‹
›Ich finde, er ist schön genug gestorben‹, sagte ich. ›Wo es so ganz ohne Formalitäten zuging!‹ ›Nein‹, sagte Pablo. ›Für mich war er eine große Enttäuschung. Den ganzen Tag hatte ich auf den Tod des Pfarrers gewartet. Ich hatte geglaubt, er wird als letzter durch die Reihen gehen. Ich habe große Erwartungen gehabt. Ich habe erwartet, es wird ein Höhepunkt werden. Ich hatte noch nie einen Pfaffen sterben sehen.‹
›Zeit genug‹, sagte ich höhnisch. ›Die Bewegung hat gerade erst begonnen.‹
›Nein‹, sagte er. ›Ich bin enttäuscht.‹
›Na, na‹, sagte ich. ›Du wirst noch deinen Glauben verlieren!‹
›Du verstehst mich nicht, Pilar‹, sagte er. ›Er war ein spanischer Pfaffe.‹
›Was für ein Volk die Spanier sind!‹ sagte ich zu ihm... Und was für ein Volk sie sind mit ihrem Stolz, wie, Inglés? Was für ein Volk!«
Robert Jordan sagte: »Wir müssen weiter.« Er blickte nach der Sonne. »Es ist fast schon Mittag.«
»Ja«, sagte Pilar. »Wir wollen jetzt gehen. Aber laß mich erst zu Ende erzählen. In dieser Nacht sagte Pablo zu mir: ›Pilar, heute nacht wollen wir nichts machen. ‹
›Gut‹, sagte ich. ›Das ist mir recht.‹
›Ich finde, es wäre geschmacklos, nachdem wir so viele Menschen getötet haben.‹
›¡Qué va!‹ sagte ich. ›Was für ein Heiliger du bist. Du, glaubst du, ich habe umsonst jahrelang mit Stierkämpfern gelebt, daß ich nicht weiß, wie es mit ihnen ist nach der Corrida?‹
›Ist das wahr, Pilar?‹ fragte er mich.
›Habe ich dich schon einmal belogen?‹ sagte ich.
›Es ist wahr, Pilar. Ich bin heute nacht ein erledigter Mensch. Du machst mir deshalb keine Vorwürfe?‹ ›Nein, hombre‹, sagte ich. ›Aber bring nicht jeden Tag Menschen um, Pablo.‹
Und er schlief in dieser Nacht wie ein kleines Kind, und im Morgengrauen weckte ich ihn auf, aber ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, und ich stand auf und setzte mich auf einen Stuhl und sah zum Fenster hinaus, und ich sah im Mondlicht den Platz, wo die Reihen gestanden hatten, und hinter dem Platz schimmerten die Bäume im Mondschein, und ich sah ihre dunklen Schatten und die Bänke gleichfalls, ganz hell im Mondschein, und die herumliegenden Flaschen glitzerten, und ich sah den Rand der Klippe, wo sie alle hinuntergeschmissen hatten. Und nichts war zu hören als das Plätschern des Springbrunnens, und ich saß da und dachte mir: schlecht haben wir begonnen.
Das Fenster war offen, und drüben auf dem Platz in der Fonda hörte ich eine Frau weinen. Ich ging auf den Balkon hinaus, stand barfuß auf dem Eisen, und der Mond schien auf die Fassaden der Häuser rings um den Platz, und das Weinen kam von dem Balkon vor der Wohnung Don Guillermos. Es war seine Frau, die weinte, sie kniete auf dem Balkon und weinte.
Dann ging ich wieder in das Zimmer zurück und saß da und wollte nicht mehr denken, denn das war der schlimmste Tag meines Lebens, bis auf den einen anderen Tag.«
»Was war das für ein anderer Tag?« fragte Maria.
»Drei Tage später, als die Faschisten die Stadt nahmen.«
»Erzähle mir davon nichts«, sagte Maria. »Ich will es nicht hören. Das hat mir schon genügt. Das war schon zuviel.«
»Ich sagte dir doch, du sollst nicht zuhören«, sagte Pilar. »Siehst du! Ich wollte nicht, daß du's hörst. Jetzt wirst du schlecht träumen.«
»Nein«, sagte Maria. »Aber mehr will ich nicht hören.«
»Ich möchte, daß du es mir bei Gelegenheit erzählst«, sagte Robert Jordan.
»Ja«, sagte Pilar. »Aber für Maria ist es schlecht!«
»Ich will es nicht
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