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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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beschwerlich, und nachdem er ein Stück weit gelaufen war, verlangsamte er seinen Schritt und hörte zu laufen auf. Er sah, daß ihr Kopf auf den verschränkten Armen ruhte, und ihre zusammengekauerte Gestalt hob sich breit und schwarz von dem Baumstamm ab. Als er zu ihr hinkam, sagte er in scharfem Ton: »Pilar!«
 Die Frau hob den Kopf und blickte zu ihm auf.
 »Oh«, sagte sie. »Ihr seid schon fertig?«
 »Bist du krank?« fragte er und beugte sich zu ihr nieder. »¡Qué va!« sagte sie. »Ich habe geschlafen.«
 »Pilar«, sagte Maria, die nun herankam und neben ihr niederkniete. »Wie fühlst du dich? Fühlst du dich wohl?«
 »Ich fühle mich großartig«, sagte Pilar, aber sie stand nicht auf. Sie sah die beiden an. »Na, Inglés «, sagte sie, »hast du wieder deine Männersachen gemacht?«
 »Fehlt dir nichts?« fragte Robert Jordan, ihre Worte ignorierend.
 »Warum? Ich habe geschlafen. Du auch?«
 »Nein.«
 »Dir scheint es zu bekommen«, sagte Pilar zu dem Mädchen.
 Maria errötete und schwieg.
 »Laß sie in Ruhe«, sagte Robert Jordan.
 »Es hat niemand mit dir geredet«, sagte Pilar zu ihm. »Maria«, sagte sie, und ihre Stimme wurde hart.
 Das Mädchen hielt den Blick gesenkt.
 »Maria«, sagte die Frau abermals. »Ich sagte, daß es dir zu bekommen scheint.«
 »Ach, laß sie in Ruhe«, wiederholte Robert Jordan.
 »Halt den Mund, du«, sagte Pilar, ohne ihn anzuschauen. »Hör zu, Maria, sag mir etwas.«
 »Nein«, erwiderte Maria und schüttelte den Kopf.
 »Maria«, sagte Pilar, und ihre Stimme war so hart wie ihre Miene, und es lag nichts Freundliches in ihrer Miene. »Sag mir etwas aus freiem Willen.«
 Das Mädchen schüttelte den Kopf.
 Robert Jordan dachte, wenn ich nicht mit diesem Weib und ihrem besoffenen Mann und ihrer jämmerlichen Bande arbeiten müßte, würde ich ihr so kräftig eine herunterhauen, daß –
 »Los, sag es mir«, sagte Pilar zu dem Mädchen. »Nein«, erwiderte Maria. »Nein.«
 »Laß sie in Ruhe«, sagte Robert Jordan, und er kannte den Klang seiner Stimme nicht wieder. Hol's der Teufel, dachte er, ich werde ihr doch eine herunterhauen.
 Pilar beachtete ihn gar nicht. Und es war nicht etwa so, wie eine Schlange oder eine Katze einen Vogel behext. Nichts gierig Räuberisches lag in ihrem Blick. Und auch nichts Perverses. Dennoch hatte man das Gefühl, als blähe sich etwas, wie die Haube einer Kobra sich bläht – ja, das deutliche Gefühl. Er fühlte dieses drohende Sich-Aufblähen. Aber es war nicht Bosheit, sondern ein herrisches Forschen. Ich möchte das lieber nicht mitansehen, dachte Robert Jordan. Aber Ohrfeigen sind nicht am Platze.
 »Maria«, sagte Pilar. »Ich will dich nicht anrühren. Sag es mir jetzt aus deinem eigenen Willen.«
  »De tu propia voluntad.«
 Das Mädchen schüttelte den Kopf.
 »Maria! Jetzt und aus deinem eigenen Willen. Hörst du mich? Irgend etwas.«
 »Nein«, sagte das Mädchen leise. »Nein und nein.«
 »Jetzt wirst du es mir sagen«, wiederholte Pilar. »Irgend etwas. Du wirst schon sehen. Jetzt wirst du es mir sagen.«
 »Die Erde hat sich bewegt«, sagte Maria, ohne die Frau anzusehen.
 »Wirklich. Das war etwas, was ich dir nicht sagen kann.«
 »So«, sagte Pilar, und ihre Stimme klang jetzt warm und freundlich und hatte nichts Zwingendes mehr. Aber Robert Jordan sah, daß kleine Schweißtropfen auf ihrer Stirn und auf ihrer Oberlippe standen.
 »Das also war es. Das also war es.«
 »Ja, wirklich«, sagte Maria und biß sich auf die Lippe. »Gewiß, gewiß«, sagte Pilar freundlich. »Aber erzähl das nicht deinen Leuten, denn sie werden es dir nicht glauben. Du hast kein Cali Blut, Inglés ?«
 Sie stand auf, Robert Jordan half ihr dabei.
 »Nein. Nicht, daß ich wüßte.«
 »Und Maria auch nicht«, sagte Pilar. » Pues es muy raro. Es ist sehr merkwürdig.«
 »Aber es ist geschehen, Pilar«, sagte Maria.
 »¿ Como qué no, hija?« fragte Pilar. »Warum nicht, Tochter? Als ich jung war, hat die Erde sich so bewegt, daß sie ganz außer Rand und Band geriet und daß man Angst hatte, sie würde unter einem wegsinken. Jede Nacht war es dasselbe.«
 »Du lügst«, sagte Maria.
 »Ja«, sagte Pilar. »Ich lüge. Nie bewegt sie sich öfter als dreimal in einem Menschenleben. Hat sie sich wirklich bewegt?«
 »Ja«, sagte das Mädchen. »Wirklich.«
 »Auch für dich, Inglés ?« Pilar sah Robert Jordan an. »Nicht lügen!«
 »Ja«, sagte er. »Wirklich.«
 »Gut«, sagte

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