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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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vorgestern nacht! Das ist eine Sache! Da läufst du dein Leben lang umher, und es sieht aus, als ob sie dir etwas bedeuteten, und immer endet es damit, daß sie dir gar nichts bedeuten. Nicht ein einziges Mal war es so wie diesmal. Da glaubt man, daß man das nie erleben wird, und dann, bei einer so lausigen Gelegenheit, wenn man gerade mit Hilfe zweier schäbiger Guerillabanden unter ganz unmöglichen Bedingungen eine Brücke sprengen soll, um eine Gegenoffensive zu vereiteln, die wahrscheinlich bereits begonnen hat, da stößt man auf ein Mädchen wie diese Maria. Natürlich. Es sieht dir ähnlich. Du hättest sie nur etwas früher treffen müssen – das ist alles.
 Da hat nun ein Frauenzimmer wie diese Pilar das Mädchen buchstäblich in deinen Schlafsack geschubst, und was geschieht? Ja, was geschieht? Was geschieht? Sage mir, bitte, was geschieht. Ja, genau das geschieht. Genau das.
 Belüge dich nicht selbst, rede dir nicht ein, daß Pilar sie dir in den Schlafsack geschubst hat, und versuche nicht, die Sache zu bagatellisieren oder in den Dreck zu zerren. Du hattest sie kaum gesehen und warst weg. Als sie den Mund aufmachte und dich anredete, da war es schon da, das weißt du selbst ganz genau. Da du es nun gekriegt hast und der Meinung warst, du würdest es nie kriegen, hat's keinen Sinn, es mit Dreck zu bewerfen, denn du weißt, was es ist, und du weißt, daß es in dem Augenblick da war, als du sie ansahst, als sie aus der Höhle kam, über die eiserne Pfanne gebeugt, die sie in Händen trug.
 Da hat es dich gepackt, und das weißt du ganz genau. Warum also willst du dich belügen? Jedesmal wenn du sie ansahst, wurde dir ganz sonderbar zumute, und jedesmal wenn sie dich ansah. Warum willst du es nicht zugeben? Gut, ich gebe es zu, und was Pilar betrifft, die sie dir angeblich in die Arme getrieben hat, Pilar hat weiter nichts getan, als daß sie sehr klug war. Sie hatte sich des Mädchens angenommen, und in dem Augenblick, als sie Maria mit der Pfanne in die Höhle zurückkommen sah, da wußte sie gleich, was geschehen wird. Deshalb machte sie es uns leicht. Sie machte es uns leicht, so daß wir die gestrige Nacht und den heutigen Nachmittag hatten. Sie ist verdammt viel kultivierter als du, und sie weiß, was Zeit bedeutet. Ja, sagte er zu sich selbst, wir dürfen wohl zugeben, daß sie eine bestimmte Vorstellung von dem Wert der Zeit hat. Sie gab sich geschlagen, und zwar nur deshalb, weil sie nicht wollte, daß andere das verlieren, was sie verloren hatte, und dann brachte sie es nicht über sich, einzugestehen, daß sie es verloren habe. Deshalb gab sie sich dort auf dem Berge geschlagen, und ich glaube, wir haben es ihr nicht gerade leicht gemacht.
 So was passiert nun also, und es ist passiert, und du kannst es ruhig zugeben, und jetzt wirst du nicht einmal mehr zwei ganze Nächte mit ihr verbringen. Nicht das ganze Leben, nicht zusammen leben, niemals das besitzen, was alle Menschen für sich in Anspruch nehmen, niemals. Eine Nacht, die schon vorbei ist, ein einziger Nachmittag, und eine Nacht, die noch bevorsteht; vielleicht. Nein, mein Lieber.
 Keine Zeit, kein Glück, kein Vergnügen, keine Kinder, kein Haus, kein Badezimmer, keinen sauberen Pyjama, keine Morgenzeitung, kein gemeinsames Erwachen, morgens erwachen und wissen, sie ist da, und du bist nicht allein. Nein, nichts von alldem. Warum aber, wenn das alles ist, was du an begehrten Dingen in diesem Leben erhalten sollst, warum, wenn du es nun gefunden hast, warum nicht eine einzige Nacht in einem bezogenen Bett liegen?
 Du verlangst das Unmögliche. Du verlangst das rundweg Unmögliche. Wenn du also dieses Mädchen so sehr liebst, wie du behauptest, dann solltest du sie innig lieben und durch die Stärke deiner Liebe wettmachen, was eurer Beziehung an Zeit und Dauer fehlt. Hörst du das? Früher einmal haben die Menschen ein ganzes Leben der Liebe gewidmet. Und jetzt, da du zwei Nächte hast, wunderst du dich, warum dir so viel Glück in den Schoß fällt. Zwei Nächte, und du sollst sie lieben und ehren und werthalten. Im Guten wie im Schlechten. In Leid und Freud. Ob krank oder tot. Nein, das stimmt nicht. Ob krank oder gesund. Bis der Tod uns trennt. In zwei Nächten. Mehr als wahrscheinlich. Mehr als wahrscheinlich, und laß nun diese Grübeleien. Du kannst jetzt damit aufhören. Es bekommt dir nicht. Tu nichts, was dir nicht bekommt. Ja, das ist es. Ja, das war es, was Golz meinte. Er merkt immer mehr, wie klug dieser Golz ist.

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