Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
hat sich
von einer solchen Frau einfangen lassen? So unbedarft kam er mir gar
nicht vor!“ sagte Ravenna erstaunt.
„ Ihr
kennt den Duke bereits?“ fragte Johann überrascht.
„ Ja,
wir trafen uns gestern nacht unerwarteterweise im Badezimmer!“
sagte Ravenna kurz angebunden. Sie hatte keine Lust Johann näher zu
erklären, was den Duke gestern nacht ins Badezimmer getrieben hatte.
„ Das
ist seltsam“ murmelte Johann vor sich hin.
„ Wieso?“
„ Der
Duke hat das Badezimmer seit Jahren nicht mehr betreten. Er badet nur
im Freien....“
„ Im
Freien?“ fragte Ravenna verwundert.
„Eine Folge seiner
Erblindung. Nach seinem Unfall
ließ der Duke nichts unversucht, um wieder ein eigenständiges Leben
führen zu können. Er hasste es auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Auf einer seiner Reisen hatte er die Bekanntschaft eines Shaolin
Mönches gemacht. Dieser Mann benutzte seinen Körper - selbst mit
verbundenen Augen - wie eine gefährliche Waffe und besaß auch sonst
erstaunliche Fähigkeiten. Von diesem Mönch ließ sich der Duke zwei
Jahre lang ausbilden. Zur Abhärtung seines Körpers badet der Duke
seitdem jeden Tag im Freien, sommers wie winters.“ Für einen
kurzen Moment huschte ein stolzes Lächeln über Johanns faltiges
Gesicht. „Es ist unglaublich welche Fähigkeiten der Duke dank des
Mönches wiedererlangt hat.“ Die Freude darüber war ihm deutlich
anzuhören.
„ Der
Shaolin-Mönch zeigte dem Duke, dass das Augenlicht nur einer von
vielen Sinnen ist. Man kann durch hören, riechen, schmecken und
tasten das Sehen in vielen Situationen ersetzen.“ Er schaute
Ravenna vielsagend an.
„ Dieser
Mönch besaß neben den üblichen fünf Sinnen noch einen
erstaunlichen sechsten Sinn. Offenbar sendet jeder Körper, jedes
Objekt, jedes Tier, jeder Mensch, jede Pflanze unsichtbare Wellen
aus. Unser Körper spürt diese Wellen, aber die meisten von uns
nehmen das nicht wahr. Fast alle Menschen verlassen sich nur auf
Augen und Ohren. Anders der Duke. Dank der täglichen
Konzentrationsübungen kann er seine Umgebung körperlich spüren und
viel besser wahrnehmen.“ Ravenna hörte fasziniert zu.
„ Die
Sinne des Dukes sind so scharf wie die eines Raubtiers. Er kann sich
waffenlos verteidigen, nur mit Hilfe seines Körpers! Man nennt diese
Kampfkunst Kung Fu. Und selbst mit Stock oder Degen kämpft er besser
als manch Sehender!“ schwärmte Johann in den höchsten Tönen über
seinen Herrn.
„ Ihr
werdet bald selber sehen, dass ich keine Märchen erzähle, Sir
Raven. Ihr werdet den Duke früher oder später selbst in Aktion
erleben. Er macht jeden Tag seine Konzentrationsübungen!“ Johann
waren Ravennas skeptische Blicke nicht entgangen.
„Ihr wolltet
mir noch etwas über die letzte Countess erzählen!“ führte ihn
Ravenna an den Ausgangspunkt ihres Gespräches zurück.
„Oh ja, Countess
Mary und ihre Zwillingsschwester Moira!“ Seine Stimme bekam einen
verächtlichen Klang. „Hätte der alte Duke Edward damals gewusst
was er seinem Sohn damit antat...“ er schüttelte traurig den Kopf. „ Der alte Duke Edward
hatte seinen Sohn vor die Wahl gestellt: Entweder er heiratet eine
der beiden Beauchamp-Schwestern, oder er würde ihn enterben. Ihr
müsst wissen, Mylord war zu diesem Zeitpunkt bereits
siebenundzwanzig Jahre alt.“ Er machte eine Pause und musterte die
schöne, friedliche Umgebung des Parks. In seinem Inneren sah es
offenbar nicht so friedlich aus.
„ Die
Beauchamp-Schwestern waren Zwillinge. Äußerlich waren sie nicht
voneinander zu unterscheiden. Sie schienen liebreizend und sanft. Bis
der Duke eine der beiden, Mary, geheiratet hatte. Von dem Tag an, war
unser Leben auf Manor Garden die Hölle. Die beiden Frauen
übertrumpften sich gegenseitig in ihren Gemeinheiten, vor allem
gegenüber den Hausangestellten. Die beiden waren übellaunig und
böse. Tag und Nacht mussten wir ihnen zur Verfügung stehen, es gab
Schläge und Hiebe. Sie schikanierten uns, verhöhnten uns, nannten
uns Gewürm. Wenn es jemand wagte sich beim alten Duke zu beklagen,
wuschen die beiden Damen ihre Hände in Unschuld und weinten hilflose
Tränen. Der alte Duke durchschaute ihre Intrigen nicht. Derjenige,
der sich beklagt hatte, bekam hinterher ihre ganze Wut und
Gemeinheiten zu spüren. Von da an beklagte sich niemand mehr.“ Das
Gesicht des alten Mannes verdüsterte sich bei den Gedanken an die
Vergangenheit.
„ Entschuldigt
Sir Raven, dass ich so respektlos von einer Toten rede.
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