Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
einzige, der
sich von ihrer Maskerade nur mit Mühe täuschen ließ. Er lag mit
seinen Anspielungen und Vermutungen die ganze Zeit richtig. Sie war
eine Frau, sie war die Frau aus seinen Träumen, sie war aus Fleisch
und Blut, sie war seine Geliebte! Und sie quälte seine Seele, weil
sie ihn glauben ließ, er begehre einen Mann.
Ravenna wandte sich zum
Gehen. Es gab nichts mehr zu sagen. Doch der Duke hielt sie zurück:
„Vielleicht habt Ihr recht Sinclair. Eine räumliche Trennung wird
uns beiden gut tun. Ihr werdet aber nicht nach Timbergrove gehen. Ich
benötige Euch in London. Solange ich nicht reisen kann, werdet Ihr
meine Geschäfte in London überwachen.“ Er fuhr sich mit der Hand
über die Augen. „Ich teile Euch noch mit, was in den nächsten
Wochen zu tun ist!“
„Ich habe keine Ahnung
von Euren Geschäften in London, Mylord!“ sagte Ravenna lahm. Die
Aussicht nach London zu gehen, stimmte sie nicht fröhlicher.
„Dann werdet Ihr es
lernen. Wir bleiben in Kontakt. Ihr informiert mich per Brief alle
zwei Tage über alles Notwendige. Ich werde Euch eine Bank-Vollmacht
über einen gewissen Betrag ausstellen, so dass Ihr handlungsfähig
seid!“
„Mylord, bitte. Lasst
mich nach Timbergrove gehen!“
„Nein. Ich brauche Euch
in London. Das ist mein letztes Wort!“
Ravenna hatte das Zimmer
schon längst verlassen, da stand der Duke noch immer regungslos da.
Sein Verstand sagte ihm, dass es eine gute Entscheidung war, sich und
dem Baronet eine Auszeit zu gönnen. Nur - warum fühlte es sich
nicht auch so an?
Kapitel
26
Ravenna fiel erschöpft
in den Sessel. Die Sommerhitze in London war unerträglich. Seit
Tagen hing eine schwüle Dunstglocke über der Stadt, die einem das
Atmen schwer und jede Bewegung zur Qual machte. Jeder, der irgendwie
konnte, hielt sich im Schatten oder in der Kühle der Stadthäuser
auf. Für Ravenna war dies unmöglich. Ihre Geschäfte führten sie
kreuz und quer durch ganz London. Mit Grausen dachte Ravenna daran,
dass sie in zwei Stunden auf der Dinnerparty von Mr. Finsbury
erwartet wurde.
Seit sie Manor Garden
verlassen hatte, waren mehrere Wochen vergangen. Anfangs hatte sich
Ravenna in ihrer neuen Rolle, als Stellvertreter des Dukes, sehr
unwohl gefühlt. Gott sei Dank hatte sie Eliza und den Kutscher
Webbster an ihrer Seite. Eliza übernahm den Haushalt und hielt
Ravenna den Rücken frei. Webbster begleitete sie täglich in den
Londoner Hafen und fuhr sie zu ihren Geschäftsterminen in der Stadt.
Ravenna hatte keine
Ahnung wie der Duke es schaffte, sein umfassendes Unternehmen so
erfolgreich zu leiten, ohne täglich in London zu sein. Er hatte zwar
an den zentralen Stellen sehr gute Verbindungsleute sitzen, aber wenn
etwas schief lief – und das tat bei Ravenna gerade einiges - war es
auf jeden Fall wichtig vor Ort zu sein.
Ursprünglich hatte sie
nur den Mannschaften seiner drei Frachtschiffe, die im Londoner Hafen
zurückerwartet wurden, die Heuer ausbezahlen sollen. Doch es kam
anders als erwartet. Das erste Schiff, die Seacloud , traf
pünktlich im Hafen ein. Die Baumwoll-Fracht wurde gelöscht und auch
sofort in der Hafen-Warenbörse zu Höchstpreisen versteigert. Das
Schiff wurde nach nur einem Tagen gewendet und lief mit neuer Fracht,
Eisenwaren und Arbeitsgeräten, wieder in Richtung Karibik aus. Die Seahawk hingegen trudelte mit einer Woche Verspätung ein. Ein
Teil der Ladung war durch hohen Seegang beschädigt worden und von
minderer Qualität. Der Erlös fiel deutlich geringer aus und wegen
der Verspätung, verlor Ravenna den Auftrag für die Rückfahrt in
die Karibik. Sie musste erst einmal einen neuen Auftraggeber finden,
denn eine Leerpassage der Seahawk war zu teuer. Von der Seabird fehlte bislang jede Spur.
Auch die Verantwortlichen
im Schiffskontor, dem Hafen und der Hafenbörse, ja selbst die
Kapitäne der Eden-Line -Frachtschiffe machten ihr die Arbeit
schwer. Ravenna musste alle mühevoll davon überzeugen, dass der
Duke aufgrund eines Unfalls nicht in der Lage war, seine Geschäfte
selbst zu führen und sie ihn deshalb offiziell vertrat. Die Männer
begegneten ihr mit größtem Misstrauen, selbst als sie ihnen die
Vollmacht des Dukes vorlegte. Dass sie ihren Anweisungen schließlich
Folge leisteten, verdankte sie dem Kutscher Webbster, den alle
kannten. Dieser bestätigte sowohl den Unfall des Dukes, als auch
Ravennas Identität und Bevollmächtigung.
Damit hatte Ravenna
zunächst die Hürden im Hafen genommen. In der Bank kam ihr
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