Wen das Feuer verbrennt (German Edition)
Gott sei
Dank Mr. Finsbury zu Hilfe. Nachdem der Bankclerk sich geweigert
hatte, ihre Bankvollmacht zu akzeptieren, verlangte Ravenna Mr.
Finsbury zu sprechen.
Dieser freute sich sehr
Ravenna wiederzusehen und hieß sie mit offenen Armen willkommen. Den
pflichtbewussten Bankangestellten strafte er mit einem tadelnden
Blick. Stolz führte er Ravenna in sein üppig ausgestattetes Büro
und bewirtete sie mit altem Whiskey und einer dicken Zigarre. Er
erkundigte sich besorgt nach dem Wohlbefinden des Dukes und Ravenna
erzählte ihm bereitwillig was sich ereignet hatte. Sie übertrieb
dabei etwas und malte das ganze dramatischer aus, als es ohnehin
schon gewesen war. Ravenna trank einen Schluck Whiskey und rauchte
widerwillig die dicke Zigarre. Irgendwann wurde ihr schwummrig und
leichte Übelkeit stieg in ihr auf, während sie zuhörte, wie Mr.
Finsbury von ihrem gemeinsamen Bordell-Besuch in den höchsten Tönen
schwärmte. Als sich Ravenna nach einiger Zeit verabschieden wollte,
ließ Finsbury sie erst gehen, nachdem sie ihm fest versprochen
hatte, zu der Geburtstagsparty seiner Frau am Ende des Monats zu
kommen.
Erschöpft bat Ravenna
Eliza ihr ein Bad einzulassen, bevor sie sich in der Sommerhitze zu
der Dinnerparty der Finsburys aufmachen musste.
Ravenna fühlte sich gar
nicht gut. Sie war schlapp und müde. Am liebsten würde sie zu Hause
bleiben. Mit zu Hause meinte sie das Haus in der Regent Street. Es
wirkte von außen sehr groß, war innen aber klein und gemütlich. Im
Erdgeschoß befanden sich ein Empfangssalon, die Küche und die
Kammern für das Personal. In einer davon wohnte der Kutscher
Webbster. Im Obergeschoß gab es drei Schlafzimmer und ein großes
Badezimmer mit einer schönen Kupferwanne und einem großen Kamin, in
dem mehrere Wassereimer gleichzeitig erhitzt werden konnten. Im
Moment bewohnten Ravenna und Eliza je ein Zimmer – neben dem des
Dukes, das leer stand.
Ravenna stieg in das
lauwarme Wasser und begann sich langsam zu entspannen. Sie brauchte
ein bisschen Zeit für sich. Die letzten Wochen waren nicht einfach
gewesen. Die viele Arbeit ließ ihr kaum Zeit zum Nachdenken. Aber in
Momenten wie diesen, gestattete sich Ravenna Gedanken an Manor Garden
und den Duke. Sie hörte sein vertrautes Lachen, sah seine
strahlenden, grau-blauen Augen vor sich und dachte an die prickelnden
Momente, die sie mit ihm verbracht hatte. Ihr Herz sehnte sich nach
dem Duke. Sie schrieb zwar täglich einen Bericht an ihn, in dem sie
genau festhielt, was sie getan hatte und welche Einnahmen und
Ausgaben angefallen waren, aber für Persönliches war darin kein
Platz. Zumal Ravenna wußte, dass Johann die Briefe vorlesen würde.
Der Duke antwortete sachlich und mit klaren Anweisungen. Auch seine
Briefe enthielten nichts Persönliches - Johann schrieb sie
schließlich nieder. Und dennoch suchte Ravenna die Briefe immer
wieder nach einer versteckten Botschaft ab. Vergeblich. Aus den
Briefen, die Johann an Eliza schrieb, wußte Ravenna, dass der Duke
in letzter Zeit oft gereizt war. Auch auf Manor Garden lief wohl
einiges schief. Der dreihundert Meter lange Abwasserkanal musste
erneut aufgegraben werden, weil er an manchen Stellen undicht war.
Das kostete Zeit und Geld. Die Wasserklosetts funktionierten
ansonsten wunderbar und waren die Sensation schlechthin. Es sei sogar
schon ein Reporter von der Londoner Gazette da gewesen, der
ausführlich über die Wassertoilette des Dukes berichten wollte,
schrieb Johann begeistert. Gesundheitlich ginge es dem Duke wieder
gut. Laut Johann machte er bereits wieder leichte Übungen und ging
Schwimmen. So beweglich wie zuvor, sei seine Schulter aber noch
nicht.
Ravenna hörte wie Eliza
das Badezimmer betrat und leise die Tür hinter sich schloss. Sie
setzte sich auf einen Stuhl und schwieg. Als sie überhaupt keine
Anstalten machte mit Ravenna zu reden, öffnete diese ihre Augen und
schaute direkt in Elizas versteinertes Gesicht.
„Ist
irgendetwas?“ fragte Ravenna schuldbewusst. Sie kannte diesen Blick
der kleinen Frau. Er verhieß nichts Gutes.
Eliza zog hinter ihrem
Rücken ein Stück Leinen hervor und hielt es Ravenna demonstrativ
vor die Nase. Diese zuckte ahnungslos mit den Schultern.
„Ja und?“
„Ist dir noch nicht
aufgefallen, dass du bereits das zweite Mal überfällig bist?“
schnaufte die kleine Frau. Ihre kleinen, dunklen Augen funkelten.
Ravenna dachte nach. In
der Tat. Sie hatte schon länger keine Monatsblutung mehr gehabt. Sie
schloss die Augen und
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