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Wen das Grab ruft

Wen das Grab ruft

Titel: Wen das Grab ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Kopf und schaute wieder zurück. So unendlich weit entfernt war der normale Himmel mit seinen hell-und dunkelgrauen Farben. Ich sah ihn nur mehr als einen Ausschnitt, der sich immer mehr verkleinerte, weil sich der Eingang allmählich zusammenschob und mir schließlich den Blick raubte. Fugendicht schloss das obere Ende des Hügelgrabes ab, in dessen Innern ich mich befand. Ich stand da, rührte mich nicht, lauschte nach außen und nach innen, so dass ich all das wahrnehmen konnte, was mich umgab.
    Völlig neue Eindrücke trafen mich. Die Luft im Grab war klarer als außerhalb. Mit jedem Atemzug durchströmte sie meine Adern, und ich nahm gleichzeitig von dem etwas mit hinein, was so geheimnisvoll in der Luft an Stimmungen und Gefühlen lag.
    Es war ein nur für mich hörbares Raunen und Wispern, ein Willkommensgruß nicht sichtbarer Geister, die ein Zentrum besaßen und für mich aus dem roten Licht strömten.
    Ich senkte den Kopf, schaute auf die Quelle des Lichts und sah, dass es genau in seinem Innern, wo es eigentlich am stärksten gewesen war, blasser wurde. Ein Gegenstand schälte sich dort hervor. Er vertrieb das rote Licht, so dass ich ihn immer besser erkennen konnte. Schauer der Furcht rannen über meinen Rücken, als ich den Gegenstand betrachtete. Es war ein alter Sarg!
    Die Schauer verstärkten sich noch, je deutlicher die Umrisse des Sargs hervortraten. Gleichzeitig begann das Licht zu wandern und umhüllte die Innenwände des Grabs mit seinem roten Schleier.
    Der Sarg stand so, dass ich ihn einfach nicht übersehen konnte. Und meine Furcht schwand. Das geschah von einem Moment auf den anderen. Dafür vernahm ich wieder die Stimme, die mich diesmal begrüßte. »Willkommen im Paradies, Reiner…«
    Ja, es war die gleiche Stimme, die mich auch geleitet hatte. Ich blieb geduckt stehen. Mein Gesichtsausdruck hatte sich verändert, denn ich lauschte dem Klang. Irgend etwas war mir aufgefallen, und ich dachte intensiv darüber nach, bis ich zu einem Ergebnis kam. Die Stimme hatte gesprochen. Sie war nicht mehr in meinem Kopf aufgeklungen, also musste sich der Sprecher auch in meiner unmittelbaren Nähe befinden.
    Auf dem Fleck blieb ich stehen und drehte den Kopf. Sehr genau forschte ich nach der Quelle und stellte fest, dass sich der Sprecher in meiner unmittelbaren Umgebung befinden musste.
    Sogar in der Nähe. Hörbar, aber nicht sichtbar!
    Mein Blick blieb auf einem bestimmten Gegenstand haften, denn irgendwo in der Dunkelheit des Grabes schien sich der Sprecher wohl nicht aufzuhalten. Und da gab es nur einen Ort, der für ein Versteck in Frage kam. Der Sarg!
    Er stand im Zentrum des Lichts, war vom roten Schein wie von einer Decke umhüllt, und für mich gab es einfach nur diesen einen Aufenthaltsort. Ich hätte daran denken sollen, was mir der ältere Mann über die Grablegende berichtet hatte, daran dachte ich in diesen Augenblicken aber nicht, da ich nur Augen für den Sarg besaß. Trotz des ihn umschmeichelnden Lichts erkannte ich seine eigentliche graue Farbe. Er war ziemlich groß, bestand aus grauem Stein und besaß ein breites Oberteil, das fest geschlossen auf der unteren Hälfte stand. Schmucklos sah er aus. Uralt musste er sein, denn Spinnweben hatten ihre Muster über den Deckel gezogen.
    Zudem stand er ein wenig erhöht. Abermals auf einem kleinen Hügel, und ich ging näher an den Sarg heran. Meine Knie waren weich geworden, denn ich wusste, dass mir etwas Entscheidendes bevorstand. Bisher hatte ich den Sprecher nur gehört, nun aber wollte ich ihn sehen. Ich musste einfach den Hüter dieser alten Kultstätte kennen lernen. Es war mir zudem ein inneres Bedürfnis, denn der andere hatte mich nicht umsonst zu sich gerufen. Es musste ein Grund bestehen. Meine Schritte setzte ich sehr vorsichtig, aus Angst, den anderen stören zu können. Bei jeder Bewegung war auch wieder das andere innerhalb des Grabes spürbar. Dieses seltsame Locken, das sanfte Herbeirufen, das Einlullen, so dass ich glaubte getragen zu werden. Einen Schritt vor dem Sarg blieb ich stehen. Meine Lippen zuckten. Das Lächeln der Erwartung hatte sich in meine Mundwinkel eingegraben, und ich bückte mich dem Sargdeckel entgegen, um ihn zur Seite zu schieben.
    Das war nicht mehr nötig. Auf halbem Wege schon erreichte mich die flüsternde Stimme. »Nein, Reiner, du bist zu mir gekommen. Die Todessehnsucht hat dich hergeführt. Nun bin ich an der Reihe, um dir diese Sehnsucht zu stillen. Gib genau acht. Unternimm nichts, ich

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