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Wen das Grab ruft

Wen das Grab ruft

Titel: Wen das Grab ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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werde kommen und dich bei mir begrüßen.«
    Ich zuckte zurück. Gern hätte ich etwas gesagt, aber der andere hatte recht. Ihm gehörte das Grab. Seinen Wünschen musste ich mich unterordnen, denn er war der Herr.
    »Ja, ich sehne mich nach dem Tod…« Wie ein Hauch klang meine Stimme, und sie ging ein in das andere, das im Grab lag. Es waren unnatürliche Geräusche, manchmal ein Locken, dann wieder ein geisterhaftes Flüstern.
    Es war soweit. Der Deckel des Sargs bewegte sich. Dies geschah sehr langsam. Er rutschte über das Unterteil. Das dabei entstehende Knirschen drang mir durch Mark und Bein, und der Deckel auf dem Unterteil begann damit, sich um die eigene Achse zu drehen. Dies geschah alles sehr langsam und bedächtig, steigerte noch meine Spannung, wobei gleichzeitig eine gewisse Begleitmusik erklang. Ein fernes Singen, ausgelöst von mir fremdartig vorkommenden Instrumenten, die irgendwo im Unsichtbaren schwebten und ihre Melodien in das Hügelgrab schickten.
    Der Deckel drehte sich weiter. Er hinterließ eine Öffnung, ich konnte in den Sarg hineinblicken und sah zunächst einmal nichts, nur die Dunkelheit im Innern. Aus ihr kroch etwas hervor. Ober-und Unterteil bildeten eine Kreuzform. Noch ein winziges Stück rutschte der Deckel zur Seite, bekam das Übergewicht und kippte über den Rand, wobei er an der kleinen Hügelseite aufstieß und in dieser gekippten Haltung liegen blieb.
    Wer immer im Sarg lag, er hatte nun genügend Platz bekommen, um ihn verlassen zu können. Und er kam.
    Zunächst war es nur ein geheimnisvoller Schatten, der innerhalb des Sargs tanzte, dann Gestalt annahm und sich meinen Blicken präsentierte. Aus der Öffnung schob sich eine knöcherne Klaue. Es waren fünf überlange, bleich schimmernde Finger, die ich zu sehen bekam und die ihre Farbe wechselten, als sie vom roten Lichtschein erfasst wurden.
    Sie wurde zu einer Blutklaue…
    Normalerweise wäre ich zurückgezuckt, ich hätte mich zutiefst gefürchtet, hier jedoch tat ich nichts. Ich stand da, schaute zu und erwartete sogar, dass der andere aus seiner steinernen Totenkiste steigen würde, um mich zu begrüßen. Schließlich hatte er mich geholt, mich gelockt, nun konnte er kommen und meine Todessehnsucht stillen.
    Er stieg weiter aus dem Sarg. Mit einem Skelett hatte ich gerechnet. Sah mich aber getäuscht, als der andere den Deckel noch weiter zur Seite drückte und voll sichtbar wurde. Es war eine Mumie… Halb Skelett, halb mumifiziert, ein scheußliches Etwas mit einem grauenhaften Aussehen.
    Da ich sehr dicht bei dem Sarg stand, konnte ich ihn genau erkennen. Nur die linke Hand und der dazugehörige Arm zeigten die Skelettierungen. Alles andere bestand aus einem eingetrockneten, rindenartigen Material, das sich von den Füßen bis hoch zum Schädel zog, so dass sein Aussehen an einen allmählich verfaulenden Baumstamm erinnerte, in dem die Furchen, Spalten und Falten wirkten, als wären sie mit einem scharfen Messer eingeritzt. Die Gestalt war klein, kaum größer als ein Kind. Kopf und Körper hoben sich so gut wie nicht voneinander ab. Da ging alles ineinander über. Zum Kopf hin wurde die Gestalt nur mehr ein wenig schmaler, das war auch alles. Sehr lange Arme pendelten zu beiden Seiten des Körpers, wobei ein Arm skelettiert war.
    Ich kannte altägyptische Mumien, deren Körper mit Binden umwickelt waren. So etwas sah ich bei dieser Gestalt nicht. Aus dem Sarg war ein kleiner eingetrockneter Körper geklettert, ein Wesen, das kaum ernst zu nehmen war, beim ersten Hinsehen jedenfalls, und trotzdem höllisch gefährlich reagieren konnte, denn es besaß Kräfte, die man als übersinnlich einstufen musste.
    Zudem besaß dieses Wesen eine Fähigkeit, die man mit dem Begriff unheimlich umschreiben konnte. Es erfüllte die Todessehnsucht der Menschen. Es lockte sie herbei und sorgte anschließend dafür, dass sich die von ihm geschaffenen Träume erfüllten.
    Wie bei mir. Mit jedem Schritt, den das Wesen näher kam, hatte ich den Wunsch, immer bei ihm zu bleiben. Ich fürchtete mich auch dann nicht vor dieser Gestalt, als sich dort, wo sich der Kopf befand, etwas bewegte. Es waren nur mehr zwei Punkte, die zu kleinen Augen wurden und mich mit einem grüngelben Ausdruck anstarrten. Dem Blick wich ich nicht aus. Ich wollte es auch nicht, denn der andere hatte ja die Herrschaft über mich. Er war jetzt mein Meister, da er mich gerufen hatte.
    »Die Sehnsucht des Todes wird so gewaltig über dich kommen, dass du dein Leben

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