Wen das Grab ruft
Zeichnung tatsächlich ausgezeichnet angefertigt, so dass ich mich zurechtfand. In einem Dorf war ich nicht gewesen und rollte, nachdem das letzte Haus hinter mir lag, über einen Ackerpfad an mehreren abgeernteten Feldern vorbei, über die der kalte Nachtwind strich. Der Pfad führte direkt auf ein Waldstück zu, das mir wie eine auf dem Boden schwimmende dunkle Insel vorkam. Er sah so aus, als müsste ich mir einen Weg zwischen den Bäumen suchen. Im Licht der tanzenden Scheinwerferstrahlen erkannte ich, dass er eine Linkskurve beschrieb und so am Waldrand vorbeiführte.
Einmal erschreckte ich mich, als zahlreiche Krähen in die Luft stießen. Sie hatten am Boden gehockt und waren vom Brummen des Motors aufgeschreckt worden. Der Schwarm verschmolz mit dem dunklen, wolkenreichen Nachthimmel, der irgendwie einen Touch ins Unheimliche besaß, denn weder Sonne, Mond noch Sterne waren zu sehen. Zum Glück hatte es auch keinen Nebel gegeben. Meine Sicht war relativ klar. Ich passierte das Waldstück. Der Weg führte so nahe an der Ostseite entlang, dass die Zweige der Nadelbäume fast wie Krallenfinger über die Karosserie schabten.
Mit eingeschaltetem Fernlicht rollte ich weiter und erkannte, dass die hellen, bleichen Strahlen genau dort, wo sie allmählich ausliefen, auf ein Ziel trafen.
Ein Buckel im Gelände. Schwarz, trotzig, auch irgendwie unmotiviert stand er dort wie ein Mahnmal aus der Vergangenheit. Das also war das Grab.
Ich schaltete um auf die normale Beleuchtung und rollte näher an mein Ziel heran. Noch schlechter war der Untergrund geworden. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr in einem Auto zu sitzen, sondern in einem Boot bei höherem Wellengang.
Der schmale Pfad hatte sich längst verlaufen. Er war eingemündet in eine mit struppigem Gras bedeckte Fläche.
Bevor sich die Reifen fest wühlten, stoppte ich den Bentley und stieg aus. Leise drückte ich die Tür ins Schloss, stemmte mich gegen den Wind, der hier stärker blies, und lauschte nach irgendwelchen verdächtigen Geräuschen. Nichts war zu hören. Nur das sanfte Säuseln des Nachtwindes. Er strich über das flache Land und sang dabei eine eigenartige Melodie. Mir kam es vor, als würde sie von einer gewissen Vergänglichkeit berichten und mich durch manchmal jaulende Töne vor einer Gefahr warnen wollen.
Ich ging die letzte Strecke zu Fuß. In der Weite des brettebenen Landes kam ich mir verloren vor wie in einer Wüste. Der Hügel und ich waren die einzige Erhebung.
Über mir lief ein gewaltiges Spiel am Himmel ab. Der Mond musste hinter den Wolken verborgen sein, denn manchmal, wenn es der Wind besonders stark mit ihnen trieb, schaufelte er sie wie mit gierigen Händen zu Seite, schuf freie Flächen, die in ihrem helleren Grau deutlich von der Dunkelheit des übrigen Himmels abstachen. Dabei bildeten die Wolken verzerrte Formationen, so dass einige von ihnen wie schreckliche Gesichter mit großen Glotzaugen aussahen oder zu verlaufenen Figuren wurden, die weit über meinem Kopf den Weg zum Hügelgrab begleiteten.
Ich konnte mich auch irren, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich einiges verändert hatte. Die Umgebung kam mir nicht mehr so normal vor wie die zwischen den Häusern. Die Luft schien irgendwie anderes geworden zu sein. Drückender, möglicherweise auch schwerer zu atmen, als wäre sie erfüllt von geisterhaften Wesen. Wie ein großer Pickel stieg der Hügel vor mir in die Höhe. Das Grab befand sich in seinem Innern, einen Einstieg entdeckte ich nicht, obwohl ich einmal um das Hügelgrab herumschritt, zu Boden schaute und Fußspuren im feuchten Gras sah. Sehr alt konnten sie nicht sein, denn das Gras hatte sich noch nicht wieder aufgerichtet. Ich blieb stehen, sah den Spuren nach und stellte fest, dass sie an der betreffenden Hügelseite zur Spitze hin hoch liefen. Als Spitze wollte ich das Ende nicht gerade bezeichnen, es kam mir eher vor wie eine abgerundete Kappe. Wahrscheinlich befand sich auch dort aus meiner Stellung noch nicht sichtbar, der Einstieg.
Ich nahm den gleichen Weg. Der Boden war nicht einmal weich, dafür hatte ich Mühe, auf dem feuchten Gras nicht auszurutschen, und ich musste mich mit den Händen abstützen, um überhaupt den Weg zu schaffen.
Endlich stand ich auf der Kuppe des geheimnisvollen Hügelgrabes. Ich schaute mich um und stellte mit Erstaunen fest, dass dieser Platz ziemlich geräumig und auch sehr abgeflacht war. Angst vor einem Abrutschen brauchte ich nicht zu haben. Um wie viele
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