Wen das Grab ruft
spüren, das war ein Irrtum. Unnatürlich warm fühlte sich die Hand an, als wäre jeder einzelne Knochen von einem brausenden Leben erfüllt. Die Finger zuckten, sie bewegten sich und schlossen sich allmählich zur Faust. Ich spürte den starken Druck, blieb aber selbst ruhig und zuckte nicht mehr zusammen.
»Ich begleite dich…« Wieder vernahm ich seine Stimme. Laktur konnte mich ansprechen, obwohl er keinen Mund besaß, jedenfalls sah ich keinen in seinem Kopf aus Runzeln und Falten.
Der Druck seiner Hand war nicht fest, dennoch auf irgendeine Weise bestimmend, so dass ich erst gar nicht in die Versuchung kam, ihn lösen zu wollen. Zudem hatte ich dazu keine Lust, ich fühlte mich im Innern des uralten Hügelgrabes wohl. Mich hatte der Geist dieses Grabs gerufen, ich war ihm gefolgt. In wenigen Sekunden würde ich das Mysterium dieser Stätte kennen lernen.
Laktur drehte mich durch einen leichten Druck seiner Hand so, dass ich mein Ziel direkt anpeilte. Es war der Sarg!
Auf ihn allein schritt ich zu, und der andere hielt mich dabei fest. Er hielt mich mit seiner Knochenhand so umklammert, dass meine Finger aufeinander lagen, aber nicht zusammengedrückt wurden, und ich brauchte nur noch einen Schritt zu gehen, um den Sarg zu erreichen. Der Deckel war so gekippt, dass er mich bei einem Einstieg in die untere Hälfte nicht behinderte. Ich hob den rechten Fuß, ohne dass mir Laktur einen Befehl dazu gegeben hätte. Als ich ihn in den Sarg stellte und er in der Dunkelheit des Totenkiste verschwand, hatte ich das Gefühl, in einen leeren Schacht zu treten. Aber ich spürte Widerstand und verschwand nicht in einer für mich unerreichbaren Tiefe.
Laktur löste seine Knochenklaue von meiner Hand, als ich auch mit dem zweiten Fuß hineingestiegen war. Noch stand ich, schaute ihn an, der mir nicht einmal bis zur Schulter reichte und dennoch eine so große Macht über mich, das Grab und die Kräfte des Jenseits besaß.
»Und nun leg dich hin!« flüsterte er.
Auch das tat ich. Ich würde allen Befehlen gehorchen, die er mir gab. Nichts anderes existierte noch für mich. Nur er und die Sehnsucht nach dem Tod.
Ich fand Platz genug in dem langen und auch breiten Sarg. Noch war er nicht geschlossen, das änderte sich sehr bald, als mein Herr und Meister, kraft seiner Gedanken, den Deckel in Bewegung setzte und ihm den Befehl gab, sich zu schließen. Ich hörte das kratzende, knirschende Geräusch, das entstand, als er über das Unterteil glitt. Normalerweise hätte ich jetzt geschrien, denn ich wusste, wie es ist, wenn man lebendig begraben wurde. Schon zweimal hatte ich dies erlebt und mich mit allen Kräften gewehrt. Hier nicht…
Eine andere Kraft, eine völlig fremde Macht hatte die Kontrolle über meinen Körper bekommen, so dass es mir nichts ausmachte, dass sich der Deckel allmählich schloss. Auf dem Rücken lag ich und schaute zu, wie der Ausschnitt kleiner und kleiner wurde. Schließlich reduzierte sich das rote Licht nur mehr zu einem schmalen Spalt.
Auch der verschwand. Ein letztes Schleifen, dann hatte sich der Sargdeckel über mir geschlossen. Ich war wieder einmal lebendig begraben.
Diesmal ohne Angst, nur voll innerer Erwartung, was wohl auf mich zukommen würde, denn mein Schicksal lag in der Hand eines uralten Zauberpriesters…
***
»Das hat doch keinen Sinn!« Bill Conolly blieb mitten auf der Fahrbahn stehen, stemmte seine Arme in die Hüften, schüttelte den Kopf und trat mit dem Fuß auf. »Es hat wirklich keinen Sinn.« Er drehte sein Gesicht dem ankommenden Inspektor zu. »Oder was meinst du?«
Suko hob die Schultern.
»Ist das alles, was du zu sagen hast?«
»In diesem Fall ja.«
»Mäßig, Alter, sehr mäßig.« Bill schüttelte den Kopf. »Wir hätten nicht auf John hören sollen.«
»Wieso?«
»Denk mal nach, wie lange er schon verschwunden ist. Über eine Stunde. Und was haben wir hier gefunden? Nichts…«
Da hatte Bill Conolly genau ins Schwarze getroffen. Sosehr sie auch die Straße und deren unmittelbare Umgebung sowie die Häuser abgesucht hatten, auf irgendwelche Spuren waren sie nicht gestoßen. Inzwischen war auch ein Abschleppwagen erschienen und hatte die Trümmer des ausgebrannten Polizeiwagens weggeschafft.
Sergeant O'Sullivan war noch dageblieben. Auch ihn drängte die Zeit, wie er sagte. Er kam aus dem Haus der Olsons und gesellte sich zu Suko und Bill.
»Ich habe vorhin mit meiner Zentrale gesprochen. Dort wird man allmählich ungeduldig. Brauchen Sie mich
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