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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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in den Nacken. »Mann, du bist aber spät zurück. Parrish? Ich dachte, du bist bei der Arbeit.«
    Also wusste Ronan auch nicht mehr als Adam, worüber Adam einen winzigen, kalten Hauch Genugtuung verspürte, den er jedoch schnell im Keim erstickte.
    »War ich auch.« Endlich fand Adam den Lichtschalter. Der Raum verwandelte sich in einen dämmrigen Planeten, Schatten mit bedrohlichen Fratzen erwachten in den Ecken zum Leben.
    »Wo ist Noah?«, blaffte Gansey und riss das Kabel des Weckers aus der Steckdose, um ihn endlich zum Schweigen zu bringen.
    Ronan registrierte Ganseys Zustand und zog eine Augenbraue hoch. »Draußen unterwegs.«
    »Nein«, sagte Gansey eindringlich, »ist er nicht. Noah!«
    Er ging rückwärts in die Raummitte und drehte sich dabei nach links und rechts, spähte in die Ecken und hoch in die Deckensparren, suchte an Orten, an denen niemand je einen Mitbewohner vermuten würde. Adam stand zögernd an der Tür. Er begriff einfach nicht, womit Noah Gansey so wütend gemacht hatte: Noah, der stundenlang unbemerkt blieb, dessen Zimmer stets makellos war, der niemals auch nur die Stimme erhob.
    Gansey gab seine Suche auf und drehte sich zu Adam um.
    »Adam«, sagte er herausfordernd, »wie lautet Noahs Nachname?«
    Bevor Gansey gefragt hatte, war Adam sicher gewesen, dass er es wusste. Jetzt aber entwand sich die Antwort zuerst seinen Lippen und dann seinen Gedanken und ließ ihn mit offenem Mund zurück. Es war, als hätte er sich auf dem Schulweg verlaufen, oder auf dem Heimweg, als hätte er die Telefonnummer des Monmouth Manufacturing vergessen.
    »Ich weiß es nicht«, gab Adam zu.
    Gansey deutete auf Adams Brust, als wollte er einen Schuss oder ein Argument auf ihn abfeuern. »Czerny, falls es dich interessiert. Zerr-nie. Tschärr-nie. Wie auch immer man das ausspricht. Noah Czerny.« Er legte den Kopf in den Nacken und rief in die Luft: »Ich weiß, dass du da bist, Noah.«
    »Mann«, sagte Ronan. »Du drehst ja total am Rad.«
    »Mach seine Tür auf«, befahl Gansey unbeirrt. »Sag mir, was da drin ist.«
    Mit einem eleganten Schulterzucken trat Ronan aus seinem Zimmer und drehte den Knauf an Noahs Tür. Sie schwang auf und gab den Blick auf die Ecke eines allzeit perfekt gemachten Betts frei.
    »Sieht aus wie eine Klosterzelle, also wie immer«, sagte Ronan. »Gemütlich wie im Irrenhaus. Wonach soll ich denn suchen? Drogen? Mädels? Knarren?«
    »Sag mir«, forderte Gansey, »welche Fächer du in der Schule zusammen mit Noah hast.«
    »Gar keine«, schnaubte Ronan.
    »Genau wie ich«, erwiderte Gansey. Er sah Adam an, der kaum merklich den Kopf schüttelte. »Und Adam. Wie kann das sein?« Doch er wartete nicht auf eine Antwort. »Wann isst er? Habt ihr ihn jemals essen sehen?«
    »Ist mir eigentlich ziemlich egal«, entgegnete Ronan. Er strich Chainsaw mit einem einzelnen Finger über den Kopf und sie reckte wie zur Antwort ihren Schnabel zu ihm empor. Es war ein seltsamer Moment an einem seltsamen Abend, und wäre das alles einen Tag früher passiert, wäre Adam vermutlich aufgefallen, wie selten man bei Ronan solch unbefangene Zärtlichkeit erlebte.
    Gansey bombardierte sie mit Fragen. »Bezahlt er Miete? Wann ist er überhaupt hier eingezogen? Habt ihr schon mal darüber nachgedacht?«
    Ronan schüttelte den Kopf. »Mann, du warst wohl echt zu lange an der Sonne. Wo liegt denn das Problem?«
    »Ich habe den heutigen Nachmittag bei der Polizei verbracht«, sagte Gansey. »Ich war mit Blue bei der Kirche …«
    Eifersucht durchzuckte Adam, heftig und unerwartet, und die Wunde brannte weiter, nicht weniger schmerzhaft durch die Tatsache, dass er nicht ganz sicher war, was genau sie verursacht hatte.
    Gansey fuhr fort: »Jetzt guckt mich nicht so an. Es geht um Folgendes. Wir haben eine Leiche gefunden. Vermodert bis auf die Knochen. Habt ihr eine Ahnung, wessen Leiche das sein könnte?«
    Ronan blickte Gansey fest in die Augen.
    Adam hatte das Gefühl, die Antwort auf diese Frage bereits geträumt zu haben.
    Hinter ihnen schlug die Wohnungstür zu. Sie fuhren herum, doch es war niemand zu sehen, nur die Ecken der Karten an der Wand flatterten noch wie zum Beweis, dass sich dort etwas bewegt hatte.
    Die Jungen starrten auf die zarten Bewegungen des Papiers, lauschten dem Echo des Türenknallens.
    Kein Lüftchen regte sich. Adam bekam eine Gänsehaut.
    »Meine«, sagte Noah.
    Sie alle wirbelten gleichzeitig herum.
    Noah stand in der Tür zu seinem Zimmer.
    Seine Haut war bleich wie

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