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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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hatte.
    Die Welt um Adam summte, wie aufgeladen vor Möglichkeiten, von denen nicht alle angenehm waren. Er hatte das Gefühl zu schlafwandeln. Nichts war wahr, solange er es nicht mit seinen eigenen Händen berühren konnte.
    Ronan stieß einen langen schmutzigen Fluch aus, ohne dabei auch nur einmal Luft zu holen.
    Gansey rieb sich unablässig mit dem Daumen über die Unterlippe. »Was ist hier los?«, fragte er Adam.
    Adam antwortete: »Bei uns spukt’s.«

30
    B lue war über die Tatsache, dass Noah tot war, verstörter, als sie erwartet hätte. Bei der Polizei hatte sie erfahren, dass er nie lebendig gewesen war, oder zumindest nicht, seit sie ihn kannte, und trotzdem verspürte sie eine eigenartige Trauer. Denn Noahs Anwesenheit im Monmouth hatte vollkommen andere Züge angenommen, seit sie seine Leiche entdeckt hatten. Niemand schien ihn mehr in Gänze zu erleben: Gansey hörte seine Stimme auf dem Parkplatz, Blue sah auf dem Weg zu den Jungs seinen Schatten auf dem Bürgersteig und Ronan fand Kratzer auf seiner Haut.
    Er war immer schon ein Geist gewesen, aber nun benahm er sich auch wie einer.
    »Vielleicht«, hatte Adam überlegt, »liegt es daran, dass sie seine Leiche von der Ley-Linie entfernt haben.«
    Blue musste immer wieder an den Schädel mit dem eingeschlagenen Gesicht denken und daran, wie Noah beim Anblick des Mustangs gewürgt hatte. Gewürgt und sich nicht tatsächlich übergeben. Weil er tot war.
    Sie wollte denjenigen finden, der ihm das angetan hatte, und dafür sorgen, dass er für den Rest seines Lebens in einer Gefängniszelle verrottete.
    Noahs Schicksal nahm Blue so sehr mit, dass sie fast vergessen hätte, dass sie am Freitag mit Calla Neeves Zimmer durchsuchen wollte. Calla musste bemerkt haben, wie abgelenkt sie war, denn am Morgen vor der Schule fand Blue eine geradezu dreist offensichtliche Erinnerung für sie an der Kühlschranktür: Blue – Vergiss nicht unseren Filmabend heute. Blue riss den Klebezettel herunter und stopfte ihn in ihren Rucksack.
    »Blue«, sagte Neeve.
    Blue hüpfte so hoch in die Luft, wie es einem menschlichen Wesen nur möglich war, und wirbelte gleichzeitig herum. Neeve saß am Küchentisch, eine Tasse Tee vor sich und ein Buch in der Hand. Sie trug eine Bluse in genau demselben Beigeton wie die Vorhänge hinter ihr.
    »Ich habe dich gar nicht gesehen!«, keuchte Blue. Der Klebezettel in ihrem Rucksack schien sich in ihren Rücken zu brennen.
    Neeve lächelte milde und legte ihr Buch mit dem Rücken nach oben auf den Tisch. »Ich habe dich die ganze Woche kaum gesehen.«
    »Ich … war … mit … Freunden … unterwegs.« Blue ermahnte sich nach jedem Wort, nicht so verdächtig zu klingen.
    »Ich habe das mit Gansey gehört«, sagte Neeve, »und Maura geraten, dass es nicht klug wäre, euch zu trennen. Ganz offensichtlich sollten sich eure Wege ja kreuzen.«
    »Oh. Ach. Danke.«
    »Du wirkst beunruhigt«, sagte Neeve. Mit einer ihrer schönen Hände klopfte sie einladend auf den Platz neben sich. »Soll ich versuchen, etwas für dich zu sehen? Möchtest du eine Sitzung?«
    »Ach, danke, aber ich kann nicht … ich muss zur Schule«, lehnte Blue hastig ab. Insgeheim fragte sie sich, ob Neeve ihr das Angebot aus reiner Freundlichkeit gemacht hatte oder ob es ein Trick war, weil sie wusste, was Blue und Calla vorhatten. So oder so wollte Blue nichts mit dem zu tun haben, was Neeve sah. Sie schleppte ihre Sachen Richtung Küchentür und winkte Neeve betont lässig über die Schulter zu.
    Sie war erst ein paar Schritte weit gekommen, als Neeve in ihrem Rücken sagte: »Ihr seid auf der Suche nach einem Gott. Ist euch dabei nie in den Sinn gekommen, dass es auch einen Teufel geben muss?«
    Blue erstarrte im Türrahmen. Sie wandte den Kopf, ohne Neeve jedoch direkt anzusehen.
    »Oh nein, ich habe nicht herumgeschnüffelt«, sagte Neeve. »Das, was ihr da vorhabt, ist so groß, dass ich es sogar sehen kann, wenn ich etwas ganz anderes betrachte.«
    Jetzt drehte Blue sich zu ihr um. Neeves milder Gesichtsausdruck war unverändert, ihre Hände schlossen sich um ihre Tasse.
    »Zahlen fallen mir leicht«, erklärte Neeve. »Die kamen als Allererstes. Wichtige Daten. Telefonnummern. So was konnte ich schon immer aus dem Nichts herauslesen. Das ist einfach. Aber der Tod kommt gleich danach. Ich kann erkennen, wenn jemand damit in Berührung gekommen ist.«
    Blue umklammerte ihre Rucksackriemen. Ihre Mutter und deren Freunde waren seltsam, ja, aber sie waren sich

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