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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Lynch-Brüdern.
    Declan stieß seinen Bruder von dem Volvo zurück und versetzte ihm einen so harten Schlag, dass sogar Gansey ihn spürte. Ashley, deren helles Haar deutlicher zu sehen war als der Rest von ihr, blinzelte ihn verschreckt durch die Windschutzscheibe an.
    Gansey machte ein paar entschlossene Schritte. »Ronan!«
    Doch der wandte nicht einmal den Kopf. Ein grimmiges Lächeln, das ihn wie ein Skelett aussehen ließ, war auf seine Lippen gemeißelt, während die beiden Brüder einander umkreisten. Das hier war kein Spaß, sondern ein echter Kampf, und er lief ab wie im Zeitraffer. Jemand würde k.   o. gehen, bevor Gansey Alarm schlagen konnte, und er hatte heute Abend einfach keine Zeit, jemanden in die Notaufnahme zu fahren.
    Also sprang er dazwischen und packte mitten im Schlag Ronans Arm. Die Finger der anderen Hand hatte Ronan jedoch noch immer in Declans Mundwinkel verhakt, und Declans Faust flog bereits von hinten auf seinen Kopf zu, wie in einer aggressiven Umarmung. Und so bekam Gansey Declans Hieb ab. Etwas Nasses spritzte auf seinen Arm. Er war sich ziemlich sicher, dass es Speichel war, vielleicht aber auch Blut. Er stieß ein Wort hervor, das er von seiner Schwester Helen gelernt hatte.
    Ronan hatte Declan am Knoten seiner weinroten Krawatte gepackt, während Declan den Hinterkopf seines Bruders so fest umfasst hielt, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Gansey ignorierten die beiden vollkommen. Mit einer geschickten Drehung des Handgelenks donnerte Ronan Declans Kopf gegen die Fahrertür des Volvos. Ein widerwärtig schmatzendes Geräusch erklang und Declans Hand löste sich.
    Gansey nutzte die Gelegenheit, um Ronan ein paar Schritte zurückzuzerren. Ronan wehrte sich und stemmte die Beine in den Asphalt. Er war unglaublich stark.
    »Hör auf«, keuchte Gansey. »Das bringt doch nichts, wenn du dir den Schädel einschlagen lässt.«
    Ronan drehte und wand sich, er schien nur noch aus Muskeln und Adrenalin zu bestehen. Declan, dessen Anzug mitgenommener aussah, als ein Anzug es sollte, machte Anstalten, sich direkt wieder auf seinen Bruder zu stürzen. An seiner Schläfe wuchs eine riesige Beule, aber er wirkte, als könnte er nahtlos weiterprügeln. Am Ende würde niemand sagen können, was den Streit ausgelöst hatte – eine neue Pflegerin für ihre Mutter, eine schlechte Schulnote, eine ungeklärte Kreditkartenabrechnung. Oder vielleicht auch nur Ashley.
    Am anderen Ende des Parkplatzes trat der Geschäftsführer des Ninos aus dem Eingang des Lokals. Nicht mehr lange und er würde die Polizei rufen. Wo war Adam?
    »Declan«, warnte Gansey, »wenn du uns zu nahe kommst, dann schwöre ich …«
    Declan riss das Kinn zur Seite und spie Blut auf den Asphalt. Seine Unterlippe war aufgeplatzt, aber mit seinen Zähnen war alles in Ordnung. »Von mir aus. Er ist dein Schoßhündchen, Gansey. Also nimm du ihn gefälligst an die Leine. Sorg du dafür, dass er nicht von der Aglionby fliegt. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
    »Schön wär’s«, fauchte Ronan. Sein Körper war stocksteif in Ganseys Griff. Er trug seinen Hass wie eine grausame zweite Haut.
    Declan sagte: »Du bist so ein Scheißkerl, Ronan. Wenn Dad sehen könnte …«, woraufhin Ronan sich prompt wieder auf ihn stürzen wollte. Gansey schlang seine Arme im Klammergriff um Ronans Brust und hielt ihn zurück.
    »Was machst du überhaupt hier?«, fragte Gansey Declan.
    »Ashley musste mal«, antwortete Declan knapp. »Ich darf ja wohl anhalten, wo ich will, meinst du nicht?«
    Beim letzten Mal, als Gansey auf dem Unisex-WC des Nino gewesen war, hatte es dort nach Erbrochenem und Bier gestunken. An einer der Wände hatte mit rotem Filzmarker das Wort BEELZEBUB gestanden und darunter Ronans Nummer. Schwer vorstellbar, dass Declan ausgerechnet diese Toilette für seine Freundin ausgesucht hatte. Gansey erwiderte kurz angebunden: »Ich meine, du solltest jetzt abhauen. Heute Abend klärt ihr das sowieso nicht mehr.«
    Declan lachte, ein einziges Mal. Ein lautes, freudloses Lachen voller runder Vokale. Offensichtlich fand er rein gar nichts an Ronan witzig.
    »Frag ihn, ob er dieses Jahr vielleicht mal eine Zwei schafft«, forderte er Gansey auf. »Gehst du überhaupt hin und wieder in den Unterricht, Ronan?«
    Hinter Declan spähte Ashley aus dem Fahrerfenster. Sie hatte die Scheibe heruntergefahren, um zuhören zu können. Wenn sie sich unbeobachtet fühlte, sah sie gleich viel weniger wie ein Dummchen aus. Es

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