Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
krampfhaft versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Der elegante Junge schlug sich übertrieben entsetzt die Hände vors Gesicht, die Finger so weit gespreizt, dass sie seine verschämte Grimasse sehen konnte.
    »Mein Gott«, erklärte Präsident Multitasking hilflos. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
    »Wie wär’s mit ›Tut mir leid‹?«, empfahl sie.
    »Das habe ich schon gesagt.«
    Blue überlegte. »Dann ›Tschüss‹.«
    Er machte eine Geste vor seiner Brust, die vermutlich einen Knicks oder eine Verbeugung oder etwas ähnlich sarkastisch Gentlemanmäßiges bedeuten sollte. Calla hätte ihm den Stinkefinger gezeigt, aber Blue vergrub bloß die Hände in ihren Schürzentaschen.
    Als Präsident Multitasking an den Tisch zurückkehrte und dort nach einem dicken Ledernotizbuch griff, das irgendwie nicht recht zu ihm zu passen schien, stieß der Soldatenjunge ein spöttisches Lachen aus und sie hörte, wie er sie nachäffte: »… ›keine Prostituierte‹.« Neben ihm verbarg der elegante Junge sein Gesicht in den Händen. Seine Ohren hatten eine leuchtend rote Farbe angenommen.
    »Nicht für hundert Dollar«, dachte Blue. »Nicht mal für zweihundert Dollar.«
    Aber sie musste sich eingestehen, dass die roten Ohren sie verunsicherten. Das schien so gar nicht zu Aglionby zu passen. War den Raven Boys überhaupt jemals irgendetwas peinlich?
    Sie hatte einen Augenblick zu lange zu ihnen hinübergestarrt. Der elegante Junge hob den Kopf und fing ihren Blick auf. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, reuevoll, nicht gemein, und sie begann zu zweifeln.
    Dann aber stieg ihr selbst die Hitze in die Wangen, als sie daran dachte, wie Präsident Multitasking »Das übernehme ich« gesagt hatte. Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, der selbst Calla alle Ehre gemacht hätte, und stürmte zurück in die Küche.
    Neeve musste sich irren. Sie würde sich niemals in einen von diesen Jungen verlieben.

7
    E rklär mir doch bitte noch mal kurz«, forderte Gansey Adam auf, »warum das mit der Wahrsagerin so eine gute Idee sein soll.«
    Die Pizzen waren vernichtet (ohne Noahs Zutun), wodurch Gansey sich besser, Ronan sich jedoch schlechter fühlte. Bis zum Ende der Mahlzeit hatte Ronan alle seine Rollbrett-Krusten aufgeknibbelt und hätte bei Adam weitergemacht, wenn der es ihm erlaubt hätte. Gansey schickte ihn schon mal nach draußen, damit er Dampf ablassen konnte, und Noah als Babysitter hinterher.
    Jetzt standen Gansey und Adam in der Schlange zum Bezahlen, während vor ihnen eine Frau mit dem Kassierer über die Extra-Pilze auf ihrer Pizza diskutierte.
    »Weil die mit Energie arbeiten«, antwortete Adam gerade noch hörbar über die plärrende Musik. Er betrachtete die Stelle an seinem Arm, wo er sich selbst eine Kruste abgekratzt hatte. Die Haut darunter wirkte entzündet. Dann hob er den Kopf und warf einen flüchtigen Blick über die Schulter; vermutlich hielt er nach der giftigen Kellnerin – nicht Prostituierten! – Ausschau. Gansey hatte ein schlechtes Gewissen, weil er Adams Chancen bei ihr so gründlich vermasselt hatte. Gleichzeitig aber hatte er das Gefühl, ihn davor bewahrt zu haben, dass sein Rückenmark herausgerissen und verspeist wurde.
    Gut möglich, überlegte Gansey weiter, dass er vielleicht wieder mal etwas ungeschickt mit dem Thema Geld umgegangen war. Er hatte niemanden verletzen wollen, aber rückblickend betrachtet hatte er es wohl doch getan. Das würde jetzt den ganzen restlichen Abend an ihm nagen. Er schwor sich, wie schon hundertmal zuvor, besser nachzudenken, bevor er den Mund aufmachte.
    Adam fuhr fort: »Und die Ley-Linien sind auch Energie. Energie plus Energie also.«
    »Na, wie passend«, erwiderte Gansey. »Immer vorausgesetzt, diese Wahrsagerin ist keine Betrügerin.«
    »In der Not frisst der Teufel Fliegen«, sagte Adam.
    Gansey betrachtete die handgeschriebene Pizzarechnung, die man an der Kasse vorlegen musste. Der geschwungenen Handschrift darauf zufolge hieß die Kellnerin, die sie bedient hatte, Cialina. Sie hatte ihre Telefonnummer dazugeschrieben, aber es war schwer zu sagen, für wen von ihnen sie bestimmt war. Mit einigen Mitgliedern ihrer Gruppe war der Umgang weniger gefährlich als mit anderen. Immerhin schien sie ihn nicht herablassend gefunden zu haben.
    Was vermutlich daran lag, dass er gar nicht mit ihr geredet hatte.
    Die ganze Nacht. Es würde ihn die ganze Nacht fertigmachen. Er sagte: »Wenn wir nur ungefähr wüssten, wie breit die Linien sind.

Weitere Kostenlose Bücher