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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Beobachtungsposten. Verglichen mit Ronan wirkte Adam so geordnet, so ruhig, so völlig kontrolliert. Irgendwo hatte er einen Flummi mit SpongeBob-Logo her und ließ ihn nachdenklich auf dem Boden aufspringen.
    »Ich habe sie überredet, nicht die Polizei zu rufen«, sagte Adam. Er hatte schon immer gut die Wogen glätten können.
    Gansey stieß erleichtert die Luft aus. Heute Abend hätte er auch nicht mehr die Kraft gehabt, die Polizei von Ronans Unschuld zu überzeugen.
    Sag mir, dass ich das Richtige tue. Sag mir, dass ich auf diese Weise den alten Ronan zurückbekomme. Sag mir, dass ich ihn nicht vollends zugrunde richte, indem ich ihn von Declan fernhalte.
    Doch Adam hatte Gansey schon einmal erklärt, dass er der Meinung war, Ronan müsse lernen, selbst Verantwortung für das zu übernehmen, was er sich einbrockte. Gansey fürchtete allerdings, dass Ronan eher lernen würde, in der Gosse zu leben.
    Also fragte er nur: »Wo ist Noah?«
    »Er kommt sofort. Ich glaube, er wollte noch Trinkgeld geben.« Adam ließ den Flummi hüpfen und fing ihn wieder auf. Fast mechanisch schlossen sich seine Finger um das Gummiding, wenn es wieder nach oben schnellte; im einen Augenblick war seine Hand offen und leer, im nächsten umklammerten sie es fest.
    Hüpf. Schnapp.
    Gansey sagte: »Also, diese Ashley.«
    »Oh ja«, antwortete Adam, als hätte er bereits darauf gewartet, dass er sie erwähnte.
    »Stielauge lässt grüßen.« Das war ein Ausdruck, den sein Dad andauernd benutzte, eine Familien-Redewendung, die besagte, dass jemand neugierig war.
    »Meinst du, ihr geht es wirklich um Declan?«, fragte Adam.
    »Worum denn sonst?«
    »Glendower«, sagte Adam ohne Umschweife.
    Gansey lachte, Adam jedoch nicht. »Im Ernst jetzt, worum denn sonst?«
    Statt zu antworten, drehte Adam die Hand und ließ den Flummi fallen. Er hatte den Winkel jedoch sorgsam ausgewählt: Der Ball traf ein Mal auf dem schmierigen Asphalt auf, prallte gegen den Reifen des Camaros und hüpfte dann in hohem Bogen wieder nach oben und verschwand in der Dunkelheit. Adam machte genau rechtzeitig einen Schritt nach vorn, sodass der Ball mit einem Klatschen wieder in seiner Handfläche landete. Gansey stieß einen anerkennenden Laut aus.
    Adam sagte: »Ich finde, du solltest nicht mehr so vielen Leuten davon erzählen.«
    »Es ist doch kein Geheimnis.«
    »Vielleicht sollte es aber eins sein.«
    Adams Unruhe war ansteckend, aber wenn man es logisch betrachtete, gab es keinen Grund, misstrauisch zu werden. Vier Jahre lang suchte Gansey nun schon nach Glendower und erzählte freimütig jedem davon, der daran Interesse zeigte. Nie hatte er den kleinsten Hinweis darauf entdeckt, dass irgendjemand dasselbe im Sinn haben könnte wie er. Allerdings musste er gestehen, dass die Vorstellung ihm ein ziemlich unbehagliches Gefühl einflößte.
    Er sagte: »Die Informationen sind doch sowieso alle da draußen, Adam. So ziemlich jeden meiner Schritte kann man öffentlich nachverfolgen. Es ist zu spät, um irgendetwas geheim zu halten. Schon seit Jahren.«
    »Ach komm, Gansey«, sagte Adam, plötzlich aufgebracht. »Fühlst du es denn nicht? Fühlst du dich nicht …?«
    »Wie soll ich mich fühlen?« Gansey hasste es, sich mit Adam zu streiten, aber genau dazu schien es irgendwie gekommen zu sein.
    Erfolglos versuchte Adam, seine Gedanken in Worte zu fassen. Schließlich murmelte er: »Beobachtet.«
    Am anderen Ende des Parkplatzes trat nun endlich Noah aus dem Restaurant und schlich auf sie zu. Im Camaro war Ronans Silhouette zu erkennen, den Kopf in den Nacken gelegt, als schliefe er. Irgendwo in der Nähe dufteten zum ersten Mal in diesem Jahr Rosen und gemähtes Gras, während von etwas weiter her der Geruch nach feuchter Erde, die unter dem gefallenen Laub vom letzten Herbst erwachte, und Wasser herüberwehte, das in Gebirgsspalten über Felsgestein plätscherte, wo nie ein Mensch hingelangte. Vielleicht hatte Adam ja recht. Die Nacht schien tatsächlich mit irgendwas geschwängert zu sein, dachte er. Es war, als öffnete etwas, das sie nicht sehen konnten, gerade die Augen.
    Adam ließ abermals den Flummi hüpfen, doch diesmal war es Ganseys Hand, die ihn schnappte.
    »Glaubst du denn, irgendjemand würde uns hinterherspionieren«, fragte Gansey, »wenn wir nicht auf der richtigen Spur wären?«

8
    A ls Blue schließlich langsam nach draußen ging, hatte die Erschöpfung ihren Ärger ausgelöscht. Sie sog tief die kühle Nachtluft ein. Es schien, als wäre das, was

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