Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Hauch eines Lächelns hinzu: »Weißt du, es wäre nicht gut, wenn bekannt würde, dass der Vetter des großen Constantius sich im Tempel des Jupiter herumtreibt.«
Er ging an den Tisch und zog einen Brief unter einem Onyxklotz hervor. »Der kam von Eutherius. Er schreibt, er sei am Hofe aufgehalten worden.«
»Das tut mir leid zu hören«, sagte ich. Die Enthüllung, wer der Mann im Tempel tatsächlich war, machte mir noch immer zu schaffen, und ich hatte mich an meine schroffen Worte bei unserer Begegnung erinnert, doch sie schienen ihm nichts auszumachen. Als ich meiner Bemerkung den Titel »Cäsar« anfügte, winkte er ab und sagte: »Nenn mich Julian. Unter Freunden soll das genügen.«
Er bedachte mich mit einem unbeholfenen, ein wenig verlegenen Lächeln, als wäre er ein schüchternes, aber höfliches Kind. Dann, wieder ernst geworden, hob er den Brief und zeigte auf einen kleinen Riss in einer Ecke. »Seht ihr?«, sagte er. »Hier haben die Hofspione das Siegel erbrochen. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, es zu verschleiern.«
Er folgte meinem Blick und nickte, als er sah, dass ich verstand.
»Wahrscheinlich seid ihr entsetzt, aber man gewöhnt sich an solche Dinge. Eutherius wird damit gerechnet und seine Worte entsprechend gewählt haben. Hört zu …« Kurz überflog er das Schreiben, dann las er vor: »Außerdem kann ich zu meiner Freude berichten, dass der göttliche Constantius sich weiterhin von den besten Köpfen des Reiches beraten lässt.« Lachend sah er auf. »Das ist seine Art, mir mitzuteilen, dass der Oberkämmerer Eusebius noch immer die Politik bestimmt – sehr zu meinem Nachteil!«
Er wollte fortfahren, doch Oribasius, der bisher schweigend an der Tür gestanden hatte, räusperte sich unauffällig. Julian blickte zu ihm hinüber und schien sich zu besinnen. »Aber«, sagte er nach kurzem Innehalten, »es ist nicht nötig, euch mit dem Oberkämmerer zu langweilen.« Er schaute wieder in den Brief. »Was ich eigentlich gesucht habe, ist die Stelle, wo er schreibt, ihr würdet hier in Paris warten und dass ihr Freundeseid und ich euch trauen kann … Ah, da ist es ja.« Zufrieden las er die Worte vor, wie man ein Kompliment weitergibt. Als er geendet hatte, legte er das Blatt beiseite und stellte den Briefbeschwerer darauf.
»Weißt du«, sagte er, wobei er sich vom Tisch herumdrehte, »ich glaube, bei unserer Begegnung hatte ein Gott seine Hand im Spiel. Meinst du nicht auch? Es muss einen höheren Sinn haben, dass wir uns in diesem Tempel getroffen haben, den sicherlich seit einem Jahr keine Menschenseele betreten hat.« Er blickte seinen Freund an. »Jetzt sag mir nicht, das hätte nichts zu bedeuten, Oribasius!«
Aus dem großen Empfangsraum drang das Stimmengewirr herein. Julian starrte finster auf die Tür.
»Jetzt sollte ich wohl besser zu ihnen gehen«, sagte er. »Bitte verzeih mir die kleine Irreführung im Tempel, Drusus. Und auch du, Marcellus. Wollt ihr heute Abend mit mir speisen?«
DRITTES KAPITEL
Wir zogen wieder in der Zitadelle ein, nicht in das kleine Zimmer unter der ausladenden Zeder wie zuvor, sondern in eine vornehme Zimmerflucht, die auf den Innenhof hinausging. Sie hatte einen Marmorboden; an der Wand prangte ein Fresko, eine Flusslandschaft mit Booten und Weinterrassen, an denen Männer bei der Lese waren.
Marcellus stand am Fenster und schaute über den Hang am anderen Ufer der Seine, wo die Reitersoldaten ihre Übungen absolvierten. Wir hatten uns gerade über Julian unterhalten.
»Hast du bemerkt, dass er schüchtern ist und es durch Reden zu verbergen sucht?«, sagte er. »Und ich habe das unbestimmte Gefühl, dass da noch etwas anderes ist.«
»Was denn?«
»Das kann ich nicht näher bestimmen. Etwas Persönliches, als würden er und Oribasius ein Geheimnis teilen.«
»Nun, sie sind gemeinsam aus dem Osten gekommen. Sie kennen sich seit Jahren.«
»Ja, vielleicht ist es das.« Er verfiel in Schweigen und beobachtete eine Zeit lang die Pferde. Dann sagte er: »Aber das ist nicht alles, das spüre ich. Es kommt mir so vor, als wollte er etwas mitteilen, traute sich aber nicht.«
Ich lag auf meinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und betrachtete beim Zuhören müßig die ansprechenden Szenen des Wandgemäldes. Ich nickte. Auch ich hatte ein persönliches Geheimnis gespürt, das nur widerwillig verborgen wurde. »Nun, er ist der Vetter des Kaisers. Er wollte nicht ins Gerede kommen, weil er den alten Tempel besucht hat.«
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