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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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Und eingedenk des Briefes mit dem gebrochenen Siegel fügte ich hinzu: »Selbst er wird bespitzelt, wie es scheint.«
    Marcellus zuckte die Achseln. »Ja. Mit dem Vertrauen ist es nicht weit her.«
    »Hast du Florentius bemerkt?«
    Er lachte. »Er war nicht erfreut, mich zu sehen.«
    »Bei meinem Anblick auch nicht. Er hat mich ertappt, wie ich das alberne Vogelnest auf seinem Kopf bestaunte.«
    »Was kann er anderes erwarten? Sein Friseur muss eine Stunde lang beschäftigt gewesen sein. Und wozu, wenn er nicht möchte, dass die Leute hinschauen?«
    Ich schmunzelte, wurde aber rasch wieder ernst. »Aber so albern er sein mag, er hat Macht.«
    »Ich weiß – und er wird als Erster dafür sorgen, dass niemand das vergisst. Aber wir sind jetzt Gäste des Cäsars. Florentius kann seinen Lakaien nicht mehr befehlen, uns hinauszuwerfen. Er hatte nicht einmal den Mut, es selbst zu tun.«
    »Das ist genau seine Art. Ist dir aufgefallen, wie sehr er auf Julian herabsieht? Als wäre er einer seiner Schreiber, könnte man meinen.« Nach kurzem Nachdenken fügte ich hinzu: »Ich frage mich, ob Julian weiß, wie der Präfekt über ihn denkt.«
    Am Morgen waren wir zu dem alten Bauern gegangen, um ihm mitzuteilen, dass wir bei ihm ausziehen würden. Er war betrübt, weil er nicht wusste, wie er ohne uns zurechtkommen sollte; aber sonderlich überrascht war er nicht. Ihm war klar gewesen, dass wir nicht lange bleiben würden, und er nahm es mit Anstand. Er dankte Marcellus für die vielen Verbesserungen, die er angeregt hatte. Marcellus seinerseits erinnerte den Bauern noch einmal an die Dinge, um die er sich kümmern musste – die Weinstöcke am fernen Hang, den Graben am südlichen Gerstenfeld und den alten Getreideschober hinter demHaus, der feucht geworden war und belüftet werden musste, sobald schöneres Wetter Einzug hielt.
    Ich musterte das traurige, verhärmte Gesicht des Bauern, während er zuhörte und nickend die Brauen zusammenzog. Der Mann tat mir leid; er war ehrlich und anständig, und das Schicksal hatte ihm eine schwere Last aufgebürdet. Allerdings bedauerte ich nicht, den Hof zu verlassen, allein schon wegen Clodia. Als wir voneinander Abschied nahmen, saß sie auf der Türstufe, streichelte beiläufig eine der Katzen und machte ein Gesicht wie eine Gewitterwolke.
    Zuletzt ging Marcellus zu ihr, um ihr Lebewohl zu sagen. Ich wartete auf der Straße vor dem Tor und plauderte noch mit dem Bauern. Was immer sie sich zu sagen hatten, dauerte nicht lange. Ich hörte eine Tür knallen, und als Marcellus kam, blickte er reichlich hilflos drein. Ich sagte kein Wort dazu, auch später nicht. Schließlich hatte Clodia in ihm nur gesehen, was auch ich in ihm sah.
    Außerdem ist es einfach, großzügig zu sein, wenn man der Sieger ist.
    Oribasius stammte aus Pergamon. Er hatte den Beruf des Arztes erlernt und war zurzeit mit der gewaltigen Aufgabe befasst, eine Enzyklopädie der Medizin zu schreiben, wie er uns erzählte. Er kannte Julian schon aus der Zeit, als dieser an der Universität in Athen studierte. Wo Julian ein geborener Redner war, war Oribasius ein geborener Zuhörer. Er war das Publikum für den Protagonisten Julian, und zwischen den beiden Männern bestand eine echte, vertrauensvolle Freundschaft, wie mir schien.
    Florentius jedoch, der andere nach seinem eigenen Maß beurteilte, vermutete bei Oribasius von Anfang an eigennützige Motive. Wenn Oribasius sich an Julian heftete, dann nur, weil er etwas zu gewinnen hoffte. Bei Begegnungen in den Kolonnaden und Gängen der Zitadelle brüskierte Florentius ihn, undin Gegenwart anderer – egal, um wen es sich handelte – machte er bissige, sarkastische Bemerkungen. Höhnisch unterstellte er, dass es doch förderlich sein müsse, einen Freund von solch hohem Rang zu haben, und die kaiserlichen Residenzen im Reich seien gewiss eine willkommene Annehmlichkeit. Mit spöttisch hochgezogenen Brauen überlegte er laut, wie viel Geld ein Arzt wohl benötigte, der sich dem Studium und den Fragen des Geistes widmete.
    Oribasius ließ diese Bemerkungen mit einem erheiterten Blick seiner dunklen, klugen Augen an sich abgleiten. Julian aber nahm sie zur Kenntnis und wusste, dass sie eigentlich gegen ihn gerichtet waren.
    Doch Oribasius war nicht der einzige Grund dafür, dass es Reibungen mit dem Präfekten gab, wie ich bald feststellte. Wo Julian zu gutmütiger Ungezwungenheit neigte, war Florentius steif und sehr auf Rang und Ansehen bedacht, und solche gegensätzlichen

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