Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Florentius hochfahren ließ. Severus nahm keine Rücksicht auf das affektierte Gehabe des Präfekten, und es war kein Geheimnis, dass einer den anderen unausstehlich fand.
»Nun«, sagte ich, »Florentius muss nicht mitkommen. Under wird kaum von Freunden umgeben sein.« Während Marcellus sich auszog, rissen wir Witze darüber, wie Florentius sich im Feld die Haare kräuseln und die Nägel feilen ließe.
»Vermutlich denkt er, dass er etwas verpasst«, sagte Marcellus, der nackt am Waschtisch stand.
»Er wird viel mehr Julian im Auge behalten wollen … oder jemand anders tut es.«
»Ja, durchaus möglich.« Inzwischen ernst geworden, drehte Marcellus sich herum und betrachtete mich durch die Falten des Handtuchs, während er sich das Gesicht abtrocknete. »Daran hatte ich gar nicht gedacht. Eutherius sagte ja, dass jeder bespitzelt wird. Was richtet das bei einem Menschen an? Das ist widerwärtig.«
Er rieb sich die Haare trocken und warf das Handtuch beiseite. Allmählich lernten wir die höfischen Sitten näher kennen.
Zwei Tage später, an einem feuchten grauen Morgen, traten wir an, um nach Norden zu marschieren.
Ich saß auf meinem Pferd inmitten der anderen Offiziere und sah mir an, wie die Abteilungen vor dem Kastell antraten. In der Ferne, jenseits der Seine, konnte ich den alten Bauernhof, den Heuschober und die Zisterne ausmachen, von wo ich neulich das eintreffende Heer beobachtet hatte. Lächelnd dachte ich darüber nach, welche Wende mein Schicksal seither genommen hatte.
Severus kam auf seinem großen Braunen herangeritten. Er wechselte ein paar Worte mit einem Tribun über irgendeine militärische Angelegenheit und schaute dabei zur Zitadelle hinüber. Dann verstummte er, den Blick noch immer auf die Zitadelle gerichtet, während der Tribun neben ihm zu lachen anfing.
Ich folgte Severus’ Blick. In der Ferne kam ein Apfelschimmel den Hügel herauf; der Reiter war Florentius in glänzender Paradeuniform mit Reitgerte und pelzverbrämtem Reitmantel, der ihm von den Schultern wallte und über die Flanken des Pferdes hing.
Belustigtes Gemurmel durchlief die Reihe, und viele Männer grinsten breit, bis Severus schroff »Ruhe!« befahl. Julian, der auf einem gewöhnlichen Pferd der Reiterei saß, drehte sich kurz um und schaute woandershin, als ginge ihn das alles nichts an.
Wir rückten nach Norden vor, folgten den Straßen, so weit sie führten, und zogen dann an Flussauen und gefrorenen Mooren entlang. Unausgesetzt wehte uns ein bitterkalter Nordwind entgegen. Als wir uns der Maas näherten, kamen wir an verlassenen Siedlungen vorbei; an den Häusern fehlten Fensterläden und Dächer, und die Felder verwilderten. Julian wies Florentius darauf hin und meinte, es sei eine Schande, dass so viel Land brachliege, während halb Gallien hungerte. Der Präfekt, der frierend und übellaunig unter seinem Pelz kauerte, erwiderte, die Bewohner seien in die Städte gezogen. »Sie wollen Sicherheit, was der Cäsar gewiss verstehen wird.«
Julian blickte stirnrunzelnd auf die verwüsteten Felder. Dort hatten die ersten Schösslinge Wurzeln geschlagen – Brombeeren, Weißdorn und schnell wachsende Ebereschen. Binnen einer Generation würde dort ein Wald stehen, und niemand würde mehr wissen, dass dies einmal Ackerland gewesen war. Dies hielt Julian dem Präfekten entgegen. »Aber die Menschen müssen essen, und das ist fruchtbares Land«, sagte er. »Wir müssen sie ermutigen, zurückzukehren, ehe alles überwuchert ist. Wir müssen für ihre Sicherheit sorgen.«
»Wie du meinst, Cäsar«, sagte Florentius kalt und lächelte verkniffen.
Ich sah, wie Julian zu einer Erwiderung ansetzte. Florentius sah es wohl auch, doch anstatt abzuwarten, zog er an den Zügeln seines Schimmels und schwenkte ab.
Julian schaute ihm nach, und einen Moment lang trafen sich unsere Blicke. Ich hatte erwartet, ihn zornig zu sehen. Stattdessen wirkte er gekränkt und traurig, beinahe wie ein Kind, dasgrausam behandelt wurde, wo es nicht damit gerechnet hatte, sich aber nichts anmerken lassen will.
Wir gelangten ins Grenzgebiet. Nirgends war etwas von fränkischen Plünderern zu sehen, nur die Zerstörungen, die sie hinterlassen hatten. Den Grund dafür fanden wir bald heraus. Da die Mordbrenner uns entdeckt hatten, hatten sie sich in einen der Grenzposten an der Maas zurückgezogen, der aufgegeben worden war, als Magnentius und dann Constantius die Truppen der Provinz abgezogen hatten, um ihren Krieg gegeneinander
Weitere Kostenlose Bücher