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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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verschaffen. Aufgestaute Gewalt hing in der Luft. Aber es war auch Verwirrung zu spüren. Die Männer hatten nicht erwartet, dass er allein käme.
    Er redete weiter, vernünftig und gemessen, um ihnen Verständnis abzuringen. Die am nächsten bei ihm standen, konnten seinen Worten vielleicht folgen – sofern sie wollten. Die Aufmerksamkeit der anderen jedoch verlor er. Ich sah sie miteinander reden und den Kopf schütteln.
    Gerade als wir uns näherten, kamen einige Männer zwischen zwei Zeltreihen hervorgestürmt und mischten sich unter die Zuhörer. Sie waren erhitzt und ruhelos und fieberten wie Männer, die betrunken bei Wettkämpfen erscheinen und Streit suchen. Bald fingen sie an zu pfeifen und riefen dazwischen, dass Julian ein Schwindler sei, ein griechischer Stümper, der das Kriegführen denen überlassen sollte, die sich damit auskannten.
    Julian versuchte, vernünftig mit ihnen zu reden. Severus schüttelte sein graues Haupt: Mit einem Mob diskutiert man nicht. Für die gemeinen Soldaten sollte der Heerführer unfehlbar sein. Es braucht keine Erklärungen und Entschuldigungen.
    In diesem Moment erregte irgendetwas ganz in meiner Nähe meine Aufmerksamkeit. Da stimmte etwas nicht. Plötzlich hatte der Hohn der Männer etwas Einstudiertes. Doch mir blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Rasch waren wir eingekreist, als die Neuankömmlinge sich herandrängten. Bald würden wir ohne Gewaltanwendung nicht mehr aus dem Kreis ausbrechen können.
    Ich schaute in die Runde, um mir einen Überblick zu verschaffen. Marcellus war nah bei mir; neben ihm stand Rufus mit wachem, angespanntem Gesicht. Ich glaube nicht, dass er die Gefahr vollends begriffen hatte. Aber Marcellus kannte sie und hielt den Jungen in seiner Nähe. Er nickte mir zu undgab mir heimlich ein Zeichen. Zwei Schritte entfernt stand Severus bereits auf dem Sprung, die eine Hand am Schwertgurt, die andere gereckt als Zeichen für uns, seinen Befehl abzuwarten. Wie ein Jagdhund die Fährte, so nahm er die Stimmungsschwankungen der Soldaten auf. Noch war es keine Meuterei – noch nicht ganz. Doch eine zu frühe Gegenwehr würde sie auslösen.
    Plötzlich erhob sich Julians Stimme klar und fest über das Gemurre. Sein Tonfall hatte sich verändert. Er stand im Begriff, die Männer zu verlieren, und hatte seinen Fehler erkannt.
    »Was soll das bedeuten?«, rief er. »Seht euch an! Ihr erinnert mich an einen Haufen Weiber, die gackernd vor der Bäckerei stehen, weil der Bäcker verschlafen hat. Habt ihr Angst vor euren eigenen Schatten? Wo sind die Männer, die mir bei Straßburg gedient haben? Dort war wirkliche Gefahr, und wir haben gesiegt. Habt ihr vergessen, wozu ihr fähig seid?«
    Ringsumher verebbten die Stimmen.
    »Ihr seid in Feindesland. Wenn wir jetzt umkehren, was werden die Barbaren denken? Sie werden ihre Abkommen mit uns in den Wind schlagen und über uns herfallen. Ich bin nicht so weit marschiert und habe solche Härten erduldet, um jetzt kehrtzumachen, nicht wenn der Sieg zum Greifen nah ist. Ich werde zu Ende führen, was ich angefangen habe. Aber geht nur, wenn ihr es wünscht. Unwillige Männer will ich nicht zwingen. Geht zu euren Frauen und Kindern! Ich werde euch nicht aufhalten. Ich werde euer Land ohne euch verteidigen.«
    Wieder herrschte zögerliches Schweigen. Und dann hörte man aus der Mitte andere, leisere Stimmen, die Julian beipflichteten und an vergangenen Ruhm erinnerten. Jemand wagte sogar einen Jubelruf, der zuerst erstarb, Augenblicke später aber von anderen aufgegriffen wurde.
    Julian hatte die Männer beschämt.
    Ich sah, wie sich bei Severus die Nackenmuskeln und Schultern entspannten. Er nahm die Hand vom Schwertgurt und tratvor, da sein Soldatenverstand ihm sagte, dass es Zeit sei, die Leute zur Pflicht zu rufen.
    »Wegtreten!«, brüllte er mit erprobter Exerzierstimme.
    Die Männer strafften die Schultern und gingen langsam auseinander. Ich fühlte eine Hand an meinem Arm. Es war Marcellus.
    »Siehst du, wer auch dabei war?«, fragte er und deutete mit dem Kinn auf die sich zerstreuende Menge.
    Ich schaute genauer hin. Ein Mann lief verstohlen zwischen den Zelten davon. Er war nur von hinten zu sehen, aber der rote Haarschopf, der über den Rand der hochgezogenen Kapuze ragte, war unverkennbar.
    »Gaudentius!«, stellte ich angewidert fest und beobachtete, wie er sich aus dem Staub machte. »Aber warum? Was hat er davon, eine Meuterei anzuzetteln?«
    Aber da fielen mir schon Eutherius’ Worte ein, und

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