Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
erfahren.
Duranos nächste Frage kam wie ein Pfeil aus dem Nichts. »Liebst du ihn, Drusus?«
Ich drehte den Kopf, um zu sehen, ob er sich über mich lustig machte, aber sein schroffes Gesicht war ernst, und seine blauen Augen erwiderten meinen Blick ohne den geringsten Spott.
Deshalb antwortete ich: »Ja, ich liebe ihn. Aber ich kann ihm weder seine Kämpfe abnehmen noch ihn am Kämpfen hindern. Es gibt Dinge, da darf man nicht eingreifen, sonst zerbricht man etwas. Das weiß ich inzwischen.«
Er nickte und musterte mich schweigend. Er hatte nie viele Worte gemacht, wenn es um die wesentlichen Dinge ging. Das schätzte ich an ihm.
Nach einer Weile meinte er: »Es liegt bei den Göttern, und das ist gut so.«
Dann richtete er sich auf und streckte sich, als hätte er geschlafen, breitete die sonnengebräunten Arme mit ihren harten Muskeln und den alten Schwertwunden aus.
Ringsumher kam Bewegung in das Lager. Wir aßen unser Brot auf, wischten die Käsekrümel vom Teller und tranken die Becher leer. Kurz darauf verabschiedete ich mich und versprach, noch bis zum anderen Ufer mitzugehen, wo das restliche Heer sich mit der Vorhut vereinen sollte.
Nach einer kurzen Umarmung hielt er mich noch einmal auf und sagte, er wolle mich um einen Gefallen bitten.
»Nur zu«, ermunterte ich ihn.
Er deutete mit dem Kopf auf das Mädchen, das in der Nähe saß und nähte. »Sie hat gut für mich gesorgt, für wenig Lohn. Sie hat von Männern genug Leid erfahren. Finde einen guten Platz für sie, falls ich nicht zurückkehre.«
Ich versprach es ihm und machte ein Zeichen gegen böse Omen, was ihm ein Lachen entlockte. Dann trennten wir uns.
Bevor ich um die Ecke bog, blickte ich über die Schulter. Durano war bereits gegangen, aber das Mädchen saß noch auf dem Schemel vor dem Zelt, die Näharbeit – Duranos roter Mantel – im Schoß. Doch ihre Augen waren nicht auf die Arbeit gerichtet. Sie blickte mir nach, kühl und kühn und abschätzend.
Zwei Tage später überquerte die Vorhut den Rhein.
Ich stand neben Oribasius am Westufer und sah zu, als vor uns die Soldaten, ein Mann hinter dem anderen, über die Bootsbrücke zogen, ohne Gleichschritt, um den Steg nicht zu sehr ins Schwanken zu bringen. Am anderen Ufer, auf der Wiese am Waldrand, stellten sich die ersten Soldaten zur Verteidigungslinie auf. Vorausgeschickte Kundschafter hatten bereits gemeldet, das Gebiet hinter dem Brückenkopf sei frei. Doch eine Flussüberquerung ist eine gefährliche Zeitspanne, und die Männer waren unruhig wegen der endlosen Wälder Germaniens, in denen allerhand Schrecken lauerten.
Bis Mittag waren alle drüben. Dann trat eine Pause ein, als die Truppenteile sich nach Marschordnung zusammenfanden.
Ich hatte nach Marcellus Ausschau gehalten und entdeckte ihn jetzt. Gut aussehend und kerzengerade ritt er auf seiner braunen Stute an der Marschkolonne entlang zu seiner Schwadron. Der junge Rufus war bei ihm und redete voll froher Erwartung auf ihn ein, wobei er auf dieses und jenes aufmerksam machte. Ich schmunzelte. Dabei hätte ich eifersüchtig werden können, denn der Junge war verliebt; es war ihm nur selbst nicht bewusst. Während der letzten Tage, wann immer ich ihm begegnet war, hatte er nur noch von dem Feldzug gesprochen, und von Marcellus, der bei ihm sein würde. Eines Abends im Bett hatte ich Marcellus damit aufgezogen. Doch Rufus hatte bei seiner arglosen Unbedarftheit nichts an sich, das misstrauisch machen konnte.
Vorn gab es Bewegung. Severus, der an der Spitze des Zuges im Sattel saß, hob den Arm und gab das Zeichen; dann bliesen die Trompeter zum Abmarsch.
Ich schaute zu Julian. Er stand ein wenig abseits und spähte stirnrunzelnd zum anderen Ufer, wo das Heer nach und nach unter dem Blätterdach des Waldes verschwand. Es ging ihm gegen den Strich, dass er nicht dabei war. Er hätte die Männer selbst angeführt, hätte Severus ihn nicht davon abgebracht, indem er ihm freiheraus vorgehalten hatte, welche Errungenschaften er opferte, wenn er fiele.
Das Gebiet auf der anderen Seite wurde von Suomar beherrscht, einem alemannischen Gaukönig. Als sich der Bau der Bootsbrücke dem Abschluss näherte, hatte er eingesehen, dass wir es ernst meinten, hatte sich bei Julian eingefunden und um einen Friedensvertrag gebeten, dem Julian unter der Bedingung zustimmte, dass seinem Heer freies Geleit gewährt und die römischen Gefangenen, die als Sklaven gehalten wurden, zurückgegeben würden. Suomar erklärte sich dazu bereit,
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